Bösartigkeit und Witz
Theater Wagabunt begeistert mit „Die Präsidentinnen“ von Werner Schwab
Dagmar Ullmann-Bautz · Dez 2023 · Theater

Gestern wurde im TiK in Dornbirn mit Gulasch und Bier Premiere gefeiert. Das Theater Wagabunt präsentierte zum 30. Todestag des österreichischen Ausnahmedramatikers Werner Schwab sein erstes und bekanntestes Stück „Die Präsidentinnen“. Unter der Regie von Stephan Kasimir spielen Robert Kahr, Wolfgang Pevestorf und Helga Pedross die drei Freundinnen Grete, Erna und Mariedl, die sich in Lebenslügen, Größenwahn und Glücksvisionen verstricken.

Erfundene Wortschöpfungen und Euphemismen

Werner Schwabs bitterböses Fäkaliendrama über die Abgründe des Kleinbürgertums, über Rassismus und Bigotterie – alias die drei „Präsidentinnen des Unglücks“ – besticht durch seinen Witz und die ganz eigene Sprache des Autors, das „Schwabische“. Mit ungrammatischen Sätzen, erfundenen Wortschöpfungen und Euphemismen erschafft Schwab einen eigenen, sehr österreichischen Kosmos.

Vision des persönlichen Glücks

Die Freundinnen sitzen in Ernas Küche beisammen, vor dem neuen gebrauchten Fernseher, und schauen gebannt zu, wie der Papst eine Messe vor Massen zelebriert. In dieser trostlosen Küche philosophieren sie über Gott und die Welt, schwadronieren und krakeelen über ihr Leben, ihre Kinder, über Sex und Aborte, über Verkehr und Stuhlgang. Sie geraten in Streit, versöhnen sich wieder bei einem Glaserl Wein und phantasieren über eine Vision ihres persönlichen Glücks. Bei einem großen Fest findet Grete ihren jungen knackigen Musikanten Freddy, Erna wird endlich von ihrem katholischen Metzger Wottila beglückt, und Mariedl wird zur umjubelten auf Händen getragenen Heldin, nachdem sie, natürlich ohne Handschuhe, die verstopften Aborte von der steckengebliebenen Scheiße befreit hat. Immer mehr steigern sie sich in ihre Phantastereien und Tagträume, bis diese ausarten und eine der drei auf der Strecke bleibt.

Tolle Besetzung

Helga Pedross brilliert als Mariedl in ihrer herzzerreißenden Glückseligkeit als Heilige der Kloschüsseln und überzeugt als abgefeimt bösartige Prophetin schlechter Nachrichten. Wolfgang Pevestorf verkörpert Erna, die sich ganz der Religion und der Sparsamkeit verschrieben hat, auf wunderbar nervös verkorkste, verzweifelt bigotte Weise. Robert Kahr setzt sich als Grete mit hoch aufgetürmter blonder Perücke und im schicken Leopardenstyle gekonnt in Szene, größenwahnsinnig und krampfhaft verhalten promiskuitiv.

Reduzierte und sanfte Form

Regisseur Stephan Kasimir und Caro Stark, verantwortlich für Kostüm und Bühne, haben sich für eine sehr reduzierte Form entschieden. Die Bühne, ein kackbrauner Plattenbau mit einem Tisch und drei Stühlen, gibt dem Spiel einen perfekten Rahmen. Es gibt keine großen Aktionen; Kasimir vertraut der Sprache von Werner Schwab und den Schauspieler:innen. Der Hass, den man aus dem Text heraushören kann, zeigt sich in dieser Inszenierung in einer sehr sanften Form. Kasimirs Erna und Grete zerfleischen sich nicht wirklich; sie brauchen sich, sind einander in einer fast zärtlichen Zuneigung zugewandt, was zwangsläufig zur eifersüchtig bösartigen Prophezeiung von Mariedl führt und ebenso zwangsläufig zur gemeinsamen Tötung derselben. Nicht ganz nachvollziehbar ist die Kürzung des Textes von zirka 90 auf knapp 60 Minuten, was einfach schade ist, da Schwab eigentlich keine überflüssigen Sätze gemacht hat.
Das Premierenpublikum bedankte sich mit großem Applaus. Ob der Gusto nach Gulasch nach diesem Theaterabend, bei dem Mariedl eine Dose Gulasch aus dem verstopften Abort gefischt hat, wirklich groß war, kann ich nicht sagen, da ich vorher nach Hause gefahren bin.

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