Bis zur Perfektion gepixelte Landschaften
Stefan Rüesch in der Feldkircher Galerie Sechzig
Karlheinz Pichler · Apr 2024 · Ausstellung

Seine Landschaftsbilder wirken aus der Entfernung wie von einem kühl-melancholischen Hyperrealismus getragene Sehnsuchtsorte. Kommt man näher, werden die Motive zusehends unschärfer, denn die Acryl-auf-Leinwand-Gemälde sind gepixelt, setzen sich also aus unzähligen Kästchen zusammen. Allerdings sind die Pixel nicht mit Hilfe eines Computer gesetzt, sondern jedes einzelne der winzigen Geometrien ist von Hand gemalt. Unter dem Titel „Flawless“ (einwandfrei) gibt die Feldkircher Galerie Sechzig derzeit einen repräsentativen Einblick in das aktuelle Schaffen des 1963 in Chur geborenen und heute in Maienfeld lebenden und arbeitenden Künstlers Stefan Rüesch.

Mit seiner Art, idyllische, einsame, menschenentleerte Orte mit Hilfe von Pixelstaffetten „zu konstruieren“, hat Stefan Rüesch über die Jahre einen unverkennbaren Stil entwickelt, die seinen Arbeiten ein hohes Maß an Wiedererkennungswert verschafft. In der motivisischen Darstellung lehnt sich der Künstler dabei an reale Schweizer oder auch skandinavische Orte an. Diese kombiniert er mit eigenen Vorstellungen von einer perfekten, einwandfreien Landschaft, indem er Berge, Hügel und Ebenen einfach weglässt und etwa durch dazu komponierte Bäume und Wälder ersetzt. Trotz der künstlerischen Eigenständigkeit ist das Oeuvre von Rüesch durchaus in der Tradition der Schweizer Landschaftsmalerei des ausgehenden 19. und 20. Jahrhundert zu sehen. Wobei er sich mitunter von den Werken Giovanni Segantinis, Ferdinand Hodlers oder Alberto Giacomettis inspirieren lässt. Einerseits verweist Rüesch mit seinen Bildern ergo auf die klassische Landschaftsmalerei, andererseits aber bricht er mit ihr, indem er sich erfinderisch nach dem Prinzip der Konstruktion auf eine völlig andere Art mit Naturräumen auseinandersetzt.

Die Welt auf geometrische Formen abstrahieren

 

Galeristin Leonie Hirn hält in einem Begleittext zur Ausstellung fest: „Aus geringer Distanz erkennen wir, dass die Landschaftsbilder nicht aus einem durchgängigen Duktus, hingegen aus horizontalen und vertikalen Geraden, aus präzisen rechten Winkeln bestehen. Auf Rundungen und Schrägen wird komplett verzichtet. Rüesch beweist, dass Wolken und Sonnenuntergänge auch problemlos kantig sein können, ohne dabei an Wirkkraft einbüßen zu müssen. Ein stilistisches Mittel, welches sicherlich auch der Klarstellung dienen soll, dass die Welt zwar schön, aber gleichzeitig voller Höhen und Tiefen, voller Ecken und Kanten ist.“
Auf der Suche nach ihrer Perfektion abstrahiert und reduziert der Graubündner Künstler die Welt auf klare, geometrische Linien und Formen.
Im Laufe der Zeit seien die Landschaften mit verschiedenen Schattierungen immer detaillierter und die Pixel zusehends kleiner und feiner geworden, erläutert der Acryl-Maler. Zuerst seien es Phantasielandschaften gewesen, die er auf die Leinwand transformierte, später ging er von selbst gemachten Fotografien oder solchen aus, die er in Zeitschriften und Magazinen fand. Zentrales Element ist, dass bei den Landschaften alles stimmen müsse. Auch die Stimmung müsse perfekt sein, denn er wolle Landschaften erzeugen, die Ruhe ausstrahlen. Die Menschen sollen von ihrem von Hektik bestimmten Alltag heruntergeholt werden und bei seinen Bildern Entspannung finden.
Die Schaffung solcher Bilder ist ein Geduldsspiel. Stefan Rüesch benötigt ein bis zwei Monate, um so eine verpixelte Landschaft zu realisieren. Um die Bausteine seiner Gemälde, also die Pixel, perfekt zu setzen, greift er auf Millimeterpapier zurück. Seine Vorgehensmethodik hat er über die Jahre hinweg entwickelt und immer mehr verfeinert. Wichtig für ihn sei, dass Licht, Farbe und Form zu einer harmonischen Einheit verschmelzen, so der Künstler sinngemäß.
Stefan Rüesch ist relativ spät auf die Kunst gekommen. Erst seit dem Jahr 2.000 arbeitet er als freischaffender Künstler. Seither wurden seine Werke in zahlreichen Ausstellungen und Kunstmessen gezeigt. „Flawless“ ist nach seiner Ausstellung 2011 in der Bregenzer K12-Galerie die nunmehr zweite Soloschau des Graubündner Künstlers in Vorarlberg.

 

Stefan Rüesch: „Flawless"
bis 18.5.
Do, Fr 16-19, Sa 12-16
Galerie Sechzig, Feldkirch
https://www.galeriesechzig.com

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