Babylon - Rausch der Ekstase Gunnar Landsgesell · Jän 2023 · Film

Mit dem Musicalfilm „La La Land" traf Damien Chazelle die richtigen Töne. Im Fall seiner Hollywood-Anthologie kommen Brad Pitt und Margot Robbie kaum aus dem Rausch der Ekstase. Am Ende steht die Erschöpfung.

Mit einem Elefanten beginnt Damien Chazelle („La La Land“) seinen Film über die Goldene Zeit von Hollywood in der Stummfilm-Ära. Und mit Elefanten begann auch Kenneth Anger, der Skandal-Chronist der Traumfabrik, sein berüchtigtes Buch „Hollywood Babylon“, das mit einer Sammlung von Gossip und sarkastischen Kommentare die damalige Zeit aufrollte. Anger bezieht sich allerdings auf acht weiße Elefanten, die als majestätische, überdimensionierte Statuen für die Premiere von D.W. Griffiths „Intolerance“ (1915) errichtet wurden. Der Ausdruck einer Megalomanie. Bei Chazelle hingegen wird ein echter Elefant auf einem wackeligen LKW durch einen staubigen, ausgedörrten Landstrich in Kalifornien zu einer Glam-Party gekarrt, auf der sich die Gäste bald orgiastisch vergnügen. Vorher entlädt der Elefant allerdings noch seinen Dung in Richtung des unglücklichen Fahrers und des Publikums. Im Anspruch von Größe kündigt sich hier schon der Schmutz, ein übler Geruch als ständige Begleitung an.

Eine Dauererregung

Drei Stunden dauert Chazelles überbelichtete Symphonie „Babylon“, mit der er – man weiß es nicht recht – das klassische Hollywood huldigen oder aber – im Sinne Angers – diesem eine Abreibung verpassen wollte. In jedem Fall ist Chazelles Inszenierung als eine Art Dauererregung oder permanenter Exzess zu verstehen, dem schließlich auch Brad Pitt zum Opfer fallen wird. Pitt spielt mit dem Filmproduzenten Jack Conrad eine der wenigen konstanten Figuren dieser Erzählung – an der exemplarisch die Hochzeit und der Niedergang der Studioära durchexerziert wird. Parallel dazu ist Margot Robbie in der Rolle der Nellie LaRoy zu sehen, ein Partygast, der zufällig entdeckt zum Filmstar wird. Als dritte Figur Diego Calva, der Manny Torres, einen Mexikaner, der sich schließlich zum Executive Producer hocharbeitet, bis Hollywood zu Beginn der Tonfilmära überhitzt und sich mit sinistren Finanziers einlässt. Da wird auch für Torres die Luft dünn. „Babylon“ kann mit keiner eigentlichen Geschichte aufwarteten, dazu verliert sich Chazelle in seinen eigenen, überbordenden Szenerien, in denen oft der Fokus zugunsten des Ereignishaften aufgegeben wird. Den überladenen Bildern, den sich überschlagenden Schnitten sollte man sich als Zuseher wohl hingeben, doch ein Mythos – das wird bald klar – entsteht nicht dadurch, indem man ihn zu wiederholen versucht. Zwischen den Nackten oder Halbnackten, die auf Partys der freien Liebe frönen, den zugekoksten nächtlichen Manövern der Stars, der Arbeit am Set, die im Stummfilm lustvoll und improvisiert abläuft, mit dem Tonfilm hingegen zur Qual wird, kommt man auch nach einer Stunde noch auf keinen grünen Zweig. Vielleicht liegt es daran, dass sich „Babylon“ nicht auf die emotionalen Probleme seiner Figuren und deren Diskrepanzen einlassen kann, wie das Robert Altman mit seinen Blicken hinter die Kulissen tat. Vielleicht schwebte Chazelle aber auch eine Art Chimäre aus Fellini und dem „Gross-Out“-Faktor der Farrelly-Brüder vor, um in die Eingeweide der vorgeblich glitzernden Gesellschaft vorzudringen. Letztlich kotzt Margot Robbie einem wichtigen Mann bei einem Empfang auf den Teppich und dann ins Gesicht. Die Veräußerung des Innersten fällt überraschend oft ziemlich vulgär aus. Zwischendurch gibt es aber immer wieder wahrhafte Momente, in denen „Babylon“ eine innere Kraft ausstrahlt. Etwa im Einsatz schwarzer Jazz-Musiker am Set, von denen man weiß, dass sie in Zeiten der Segregation eine höchst ambivalente Rolle gespielt haben. Das gilt auch für eine Szene, in der ein afro-amerikanischer Musiker genötigt wird, sich mit einer Dose „burnt cork“ ein „Blackface“ anzulegen. Doch Hollywood ist bei Chazelle so laut, dass seine Dramen in der Opulenz fast versanden. In der Reihe an Kinofilmen, die sich dem zwiespältigen Glanz der Studios widmeten, fällt einem einer der letzten ein: Tarantinos „Once Upon a Time in Hollywood“ – übrigens auch mit Brad Pitt und Margot Robbie – schaffte es nicht nur durch seine offene Form, ein starkes Gefühl aus der Perspektive der Akteure der Traumfabrik zu erzeugen, sondern auch eine Melancholie, in der offensichtlich etwas verloren ging. Vielleicht auch der Glaube an das Studiosystem selbst. Bei Chazelle sucht man diesen Glauben hingegen vergeblich – womit sich allerdings am Ende auch kein bitteres Gefühl des Verlustes einstellt.

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