Fotografie-Ausstellung EXPOSURE: Gerhard Klocker und Romeo Vendrame in der Galerie Am Lindenplatz, Vaduz Peter Niedermair · Jul 2022 · Ausstellung

Die Galerie am Lindenplatz widmet sich in ihrer aktuellen Sommerausstellung „Exposure“ der Fotografie und präsentiert ausgewählte Arbeiten der beiden Künstler Romeo Vendrame (IT) und Gerhard Klocker (AT).

Die Auswahl der Arbeiten besticht durch die Präsentation der neuen Serie von Romeo Vendrame „Loner“ und wird ergänzt durch den 1999 in New York und New Mexico gedrehten 20-Minuten Film „a portrait in music“ von Gerhard Klocker, aus dem der Foto- und Filmkünstler eine Auswahl an Filmstills zeigt. Begleitet wird der Film von der Musik von Peter Herbert (AT), der im Zentrum des Films steht. Der junge Galerist Leon Boch, der die Vaduzer Galerie Am Lindenplatz von seinem Großvater Kurt Prantl übernommen hat, fokussiert auf Bildmotive aus dem großstädtisch-urbanen Umfeld, auf dem alltägliche Ereignisse stattfinden. Diese sind tendenziell leicht verort- und erkennbar, gleichzeitig weisen sie weit über das jeweilige Motiv hinaus und thematisieren ein global-universalistisches City-Portrait, das die Atmosphäre visuell erleb- und nachvollziehbar macht. Aus bewegten Bildern in Bildfolgen wird ein Augenblick in der Zeit angehalten. Ein Still. Seien es die künstlerisch einzigartigen Portraits von Romeo Vendrame, die in Venedig und London entstanden, oder die schnellen und unscheinbaren Shots in Lower Manhattan, an der Avenue B, in der Nähe des legendären „Veselka“, ein ukrainisches Restaurant, wo’s den besten Bortsch außerhalb der Ukraine gibt. Es sind dies Gerhard Klockers Liebeserklärungen an die Stadt New York ebenso wie an Santa Fe/New Mexico, in denen auch seine persönliche Liebe zu den Autos, vor allem den gebrauchten, vor die Linse kommt.

Gerhard Klocker – Unique Moments

Doch eigentlich sind es die Filmstills, die ein besonderes künstlerisches Verfahren durchlaufen, bis sie an die Wände der Vaduzer Galerie gekommen sind. Darin öffnet der am Bodensee lebende Foto- und Filmkünstler, der auch ein exzellenter Klaviestimmer ist, seine Schatzkiste als kosmopolitischer Künstler und gibt einen Einblick in sein breites Spektrum an urbanen Erfahrungen. In Ulrich Gabriels UnArt-Produktion Serie ist „Autoportrait“ erschienen, das Schundheft Nr. 31, in dem Gäge Klocker in zahlreichen semantischen Kombinationen und sprachlich-literarisch exzellenten Varianten mit dem „Auto-und …“ spielt, und mit den Leser:innen seine „Auto-stories“ teilt. Gäge Klockers Fotos von New York City sind individuelle, unique moments, auf einem tauchen die Twin Towers in Lower Manhattan auf. In der Machart sind Gerhard Klockers Fotos eigenwillig und speziell, auf Holz aufgezogene Filmstills, das Epoxit Harz erzeugt eine tolle, irgendwie gläsrig bläuliche Tiefe und gibt ihnen den Charme und das Licht, das man nur in New York sehen kann, wenn sich in den gefrierenden Wintermonaten die Luft, die den Hudson River herunterkältet, und die Bläue des Himmels in den Glasfassaden zu einer grell-schmelzenden Lichtfläche verbindet und spiegelt; von den Personensujets ähneln sich die Figuren, Youngsters aus der Punkszene, sie erscheinen verfremdet, samt und sonders aus dem Gerhard Klocker Film über Peter Herbert, der in New York und in Santa Fe/New Mexico entstanden ist. Peter Herbert lebte 1999 in New York in der Nähe der Avenue B, hatte ein Engagement in Santa Fe, der 20-minütige Film zeigt Bilder aus der Stadt und aus der Wüste, kontrastiert die Stille und Einsamkeit der Wüste in New Mexico mit dem Lärm der Stadt. Mit geschlossenen Augen würde man hören, in welcher Stadt der Welt dieser Lärm hörbar ist. Der Lärm von New York City ist unique. Der Lärm der Polizeiautos und der Feuerwehren, wenn sie die Avenues hinauf und hinunter donnern, klingen nur dort so, als führen sie mit eigenem Sprit. Der Film-Soundttrack von der Wüste evoziert andere sphärische Eigenheiten, Stille, die wie bei John Cage hörbar wird. Der Film über Peter Herbert entstand als freies Projekt, die Filmstills sind aus dem Film über Peter Herbert, der Anfang der 1990er Jahre bei „kunstlos glücklich“, einem legendären Spielboden Projekt Regie führte und damals die gesamte Palette der bedeutenden Musiker:innen mit Vorarlbergbezug zusammenbrachte. Diese Aufführungen im Dornbirner Kulturhaus bleiben unvergesslich. Einzelne Standbilder aus diesem Film zeigen Peter Herberts Cadillac, die George Washington Bridge im Norden von NYC, Alice’s Coffee Shop, die West 33rd Street, Ave B on Houston, und John Joyride NY Lovers. Der Fokus insgesamt ist ziemlich gemischt, alles scheint möglich, ohne beliebig zu sein, street photography im besten Sinne, der Portobello Market, Battersea Park, sehr persönliche Bilder mit Gruppen von drei, vier Leuten, gesellschaftspolitisch die Punk Szene der Siebziger Jahre. Es wird einem warm ums Herz. Erinnerungen fallen aus dem Leben „herunter“ wie Sternschnuppen im August über dem Bodensee. Heimweh wird abrufbar, verknüpft sich mit den Bildern der Städte und dem Leben dort.

Romeo Vendrame – Specially Modified

Der in Zürich lebende Romeo Vendrame zeigt Bilder aus zwei Serien, einmal die so genannte  Loner Serie mit Fotos vor allem aus Italien, Venedig und auch Korsika, während die zweite Serie unter dem Titel Choreography 1 to 3 kommt und hauptsächlich London fokussiert. Auffallend ist die ungewöhnliche, für mich herausragende Stilistik seiner Fotographie, die Aufnahmen von der Tate Modern, das Südufer der Themse, die Battersea Park Anlage zum Beispiel sind untypische Aufnahmen, weit abseits touristischer Rundumfotographie. Ebenfalls herausragend sehe ich das Bild „Angel of Bastion“, die Statue einer jungen Frau, ein mega hybrid. Das künstlerische Verfahren Romeo Vendrames könnte auch als Vendramisieren bezeichnet werden, das ist der Prozess, mit dem der Künstler das Bild zwischen Lichtpunkt und Projektion mit Materialien und Gegenständen verfremdet. Die Foto-Arbeiten des Italo-Schweizers sind in Vaduz in der Galerie am Lindenplatz unter der Leitung von Cornelia Wieczorek bereits vor bald einmal zehn Jahren 2013 ausgestellt worden, von der Art her Sujets wie in Film Stills, wie zum Beispiel in „chemistry of attraction“.

Exposure – zum Titel der Ausstellung

„Expose“ hat über die Grundbedeutung des Zeigens und Herzeigens auch einen Subgedanken und verweist damit doppeldeutig auf die Belichtung.  Insgesamt präsentiert die Ausstellung „Exposure“ 24 trashige und neate Großformate, 15 von Gerhard Klocker und 9 von Romeo Vendrame, neben ein paar wenigen kleineren. Die Künstler Romeo Vendrame und Gerhard Klocker befassen sich seit vielen Jahren mit Fotografie und haben ihre eigenen, ganz persönlichen Bildsprachen entwickelt. Mit der gleichzeitigen Präsentation der beiden Künstler schafft der Galerist Leon Boch Vergleichsmöglichkeiten und Gegenüberstellungen, die weit über die Techniken und auch die Motive hinausgehen. Beiden Künstlern ist gemeinsam, dass sie individuell divergente inhaltliche Ausgangspunkte und Herangehensweisen wählen, die sich im großen Ganzen, in the big picture, stilistisch und atmosphärisch verdichtet in gewisser Weise ähnlich sind. Gleichzeitig lassen sie über die unterschiedlichen zeitlichen Entstehungszeiten hinaus deutliche Eigenheiten erkennen.

Young Collectors Night

Neben der Ausstellunc „Exposure“ sei noch auf die am 22. Juli und 12. August geplante Young Collectors Night hingewiesen. Im Rahmen der Ausstellungsreihe der Young Collectors Night lädt die Galerie Am Lindenplatz vorrangig junge bzw. neue Kunstinteressierte ein, aktuelle Ausstellungen und das Programm der Galerie am Lindenplatz kennen zu lernen. Ziel dieser Veranstaltungsreihe ist es, jungen Kunstinteressierten zu einem guten Preis namhafte Kunst anbieten zu können. Die nach außen hin kommunizierte Schwellenangst, eine Galerie zu betreten, wird im Rahmen einer Party sehr niedrig halten, weshalb bei den bisherigen Veranstaltungen eine Vielzahl junger Besucher:innen zu verzeichnen war. Weiters wird mit der Young Collectors Night der Versuch unternommen, das bisherige starre Konstrukt von Vernissagen wieder in Richtung Eröffnungsparty zu drehen, um einen Anreiz für ein junges Publikum zu schaffen. Dies erlaubt einen dynamischeren und der heutigen Zeit entsprechenden Umgang mit Kunst und diesen von einer elitären Ebene runterzunehmen, wie Leon Boch gegenüber KULTUR berichtet.
Die Fotoausstellung „Exposure“ in Vaduz ist eine Exkursion ins Fürstentum wert, vor der Tür der Galerie am Lindenplatz liegt die liechtensteinische Museumsmeile. Und: die Gelateria vis-a-vis der Galerie lockt mit extrafeinem Pistazien Gelato. Augenschmaus und Sinneslust. 

Künstlergespräch zur Ausstellung mit Romeo Vendrame, Gerhard Klocker und Kunsthistoriker Jonas Schnydrig, 2.9., 18 - 21 Uhr

„Exposure“: Gerhard Klocker und Romeo Vendrame
bis 3.9.22
Galerie am Lindenplatz, Im Städtle 20, Vaduz, Liechtenstein
www.galerielindenplatz.li

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