Neu in den Kinos: „Ich Capitano“ (Foto: X-Verleih)
Karlheinz Pichler · 26. Jul 2012 · Ausstellung

Der Wetterballon als Mittler zwischen Kunst, Natur, Wissenschaft und Gesellschaft

Die 1970 in Wien geborene und heute in New York lebende und arbeitende Künstlerin Nin Brudermann sammelt seit zehn Jahren Daten, Fakten, Bilder und Videos von Wetterballons. Und mitunter lässt sie selbst mal einen Ballon starten. In ihrer sehenswerten installativen Werkschau im Dornbirner Kunstraum dreht sich alles um solche Ballone, die den Ist-Zustand der Atmosphäre dokumentieren.

Derzeit kann man immer wieder ein besonderes Luftgefährt über dem Bodenseegebiet beobachten. Es handelt sich um einen Öko-Zeppelin, der täglich in die Lüfte gelassen wird, um Daten zur Rettung des Klimas zu sammeln. 26 Institute aus 14 europäischen Staaten wirken für dieses Öko-Projekt zusammen. Auch für die 42 jährige Mixed-Media-Künstlerin Nin Brudermann spielen schwebende Flugkörper und internationale Kollaborationen eine zentrale Rolle. Konkret geht es bei Brudermann um Wetterballone. Jeden Tag lassen alle Staaten dieser Welt gleichzeitig hunderte Ballone in den Himmel aufsteigen, jeweils um UTC (Universal Time Coordinated) 00.00h und 12.00h. Die zumeist mit Helium gefüllten Ballone steigen bis in eine Höhe von rund 30 Kilometern auf und platzen dann, da sie sich aufgrund des unterschiedlichen Drucks ausdehnen. Die mitgeführten Sonden übertragen die Daten an die jeweilige meteorologische Messstation.

Kollaboration aller Nationen

Es handelt sich hier um eine in dieser Form wohl einzigartige globale von der UNO organisierte Aktion, tagtäglich von allen begangen und doch weitgehend unbekannt. Was die Künstlerin daran interessiert, ist nicht nur der wissenschaftliche Hintergrund – die Ballone erfassen jeden Tag den klimatischen Ist-Zustand der Atmosphäre –, sondern auch das Völkerverbindende. Der Start der Ballons verkörpert vielleicht den einzigen Bereich, in welchem faktisch alle Staaten der Erde tatsächlich zusammenwirken.

Künstlerin der Nachforschung

Seit 2002 nun sammelt Brudermann mit aktiver Mitwirkung der einzelnen Staaten Videodokumente dieses Ereignisses. Über 150 Videos sowie eine Re-Konstruktion der „Schaltzentrale" in ihrem New Yorker Atelier bieten der kollaborativen Simultanität aller Nationen eine erhabene artifizielle Darstellung. Hans-Peter Wipplinger, Chef der Kunsthalle Krems, in der Brudermann ihre beinahe enzyklopädische Sammlung über Wetterballone vor zwei Jahren erstmals in großem Stil präsentiert hat, bezeichnet die Künstlerin denn auch zurecht als „Künstlerin der Nachforschung“. Wipplinger: „Mit ihrer Kunst versucht sie das sichtbar zu machen, was sie gerne als Nischen-Welten bezeichnet, aus deren Perspektive es der Künstlerin gelingt, den Betrachter für die Möglichkeit zu sensibilisieren, zur selben Zeit mehrere Realitäten wahrzunehmen.“

In der von Anna Karina Hofbauer kuratierten Dornbirner Schau, die den „sprechenden“ Titel „Twelve O’Clock in London: Austria/Autriche“ trägt, sieht sich der Betrachter mit unzähligen kleinformatigen Videoprojektionen, Ballons in allen möglichen Betriebsstadien, Aufzeichnungen, Dokumenten und Feedbacks von Institutionen konfrontiert. Gerade die teils sehr „menschelnden“ Briefe, Feedbacks und Dokumentationen der meteorologischen Institute relativieren den „Investigations-Charakter“ der Brudermann-Installation.

Brudermann verschweißt die zahlreichen Projektionen der jeweiligen Aufnahmen mit einer umfassenden Installation an Recherchematerial und Beweisstücken und verweist damit auf eine Staatenkollaboration, die ihresgleichen sucht.

 

Nin Brudermann:
Twelve O'Clock in London: Austria/Autriche"
Kunstraum Dornbirn
Bis 19. August 2012
Di-So 10-18
www.kunstraumdornbirn.at