Aus der Not eine Tugend gemacht
Die Kinderoper „Max und Moritz“ kam als Koproduktion zwischen der Stella Vorarlberg Privathochschule für Musik und dem Theater am Saumarkt zur Aufführung.
Michael Löbl · Apr 2023 · Musik

Aus finanziellen Gründen sind Produktionen für Kinder bei Veranstaltern nicht unbedingt beliebt. Auf der Bühne sollte einiges los sein, damit das Ganze nicht langweilig wird, und das kostet: Licht, Ton, Bühnenbild, Regie, die Stückrechte. An den Produktionskosten sollte eigentlich nicht gespart werden – Kartenpreise aber bitte unbedingt familienfreundlich! Das geht sich oft nicht wirklich aus, Publikum von morgen hin oder her. Auch für die Saalgastronomie ist bei einer Kindervorstellung nicht viel zu holen, Prosecco und Bier haben Pause, auch weil es eine solche meistens gar nicht gibt. Und Kinder sind bekanntlich auch noch gnadenlos. Wenn es ihnen nicht gefällt, wird das ungefiltert und lautstark kommuniziert..

Manchmal allerdings gelingt es, aus der Not eine Tugend zu machen und auch mit wenig bis gar keinem Budget etwas Originelles auf die Beine zu stellen. Die Kinderoper im Feldkircher Theater am Saumarkt ist so ein Fall. Dahinter stecken Dora Kutschi, Gesangsdozentin an der Stella Privathochschule und Sabine Benzer, Geschäftsführerin des Theaters am Saumarkt. Seit zwölf Jahren gibt es diese Kooperation bereits und wäre der Begriff nicht so abgenutzt, müsste man sie als perfektes Beispiel für eine Win-Win-Situation bezeichnen. Die Gesangsstudent:innen sammeln Bühnenerfahrung, das Theater am Saumarkt erweitert sein Angebot für Familien und Schulklassen und die Kinder kommen mit der Kunstform Oper in Kontakt. Natürlich ist es noch ein weiter Weg von einer Kinderoper zu Wagners Ring oder Verdis Otello, aber zu vermitteln, dass eine Geschichte nicht nur erzählt, sondern auch gesungen werden kann – damit kann man nicht früh genug beginnen.
In diesem Jahr präsentiert das Kinderopern-Team ein neues Stück: „Max und Moritz“ nach Wilhelm Busch von Esther Hilsberg. Was ist jetzt das Erfolgsrezept dieses Projektes? Zunächst einmal: Unterhaltung und keine Botschaft, Entertainment und kein erhobener Zeigerfinger. Die Darsteller:innen sollten Spaß auf der Bühne haben, der sich auf das Publikum überträgt. Und genau das ist der Mannschaft rund um Dora Kutschi, der Impulsgeberin dieser schönen Tradition, gelungen. Dora Kutschi entwickelt trotz der Mini-Bühne im Theater am Saumarkt eine schlüssige und originelle Personenregie, der Ablauf ist gut durchdacht, die Umbauten funktionieren schnell und man hat nie das Gefühl, einem Kompromiss beizuwohnen. Alles wirkt schlüssig und durch die sehr reduzierten Requisiten konzentriert sich das Publikum auf die Musik und den Gesang.

Mit vollem Einsatz dabei

Der Charme der Kinderoper entsteht unter anderem durch Reduktion. Mit einfachsten bühnentechnischen Mitteln wird hier die Geschichte erzählt, und doch vermisst man nichts. Weil man den Eindruck hat, alle auf der Bühne amüsieren sich ebenso wie die Kinder samt Begleitpersonen im Publikum, und weil man mit vollem Einsatz spielt und singt. Max und Moritz, am Sonntagnachmittag verkörpert durch Mirjam Rauch und Sarah Kling, hecken nicht nur Streiche aus, sondern führen auch durch die Geschichte. Das Buch, ein Klassiker von Wilhelm Busch aus dem Jahr 1865, wirkt heute, aufgrund der neuen Empfindlichkeit mancher Bevölkerungsgruppen, ein wenig politisch unkorrekt. Im Original müssen die armen Hühner Schnüre schlucken und der Lehrer explodiert, weil die Systemsprenger Max und Moritz seine Pfeife mit Schießpulver gefüllt haben. Zwar ist einiges entschärft und manches wird auch nur angedeutet, doch tatsächlich hat eine Schulklasse, sonst jedes Jahr Stammgast im Saumarkt, für diese Kinderoper abgesagt. Die Eltern waren der Meinung, die Kinder sollten mit diesem Stoff nicht in Berührung kommen.
Diese Produktion lebt von der Teamarbeit, dennoch spricht nichts dagegen, einige Namen hervorzuheben. Der Bassist David Höfel als Schneider Böck hat eine auffallend fokussierte Stimme, die vermutlich auch in den letzten Reihen eines großen Saales oder Opernhauses gut zu hören wäre. Köstlich die Szenen mit Karoline Streibich als Opernsängerin und Michael Nemetschke als Hund der Witwe Bolte. Optisch versteckt aber doch stets präsent ersetzt der aufmerksame Pianist Pedro Baquedano mühelos ein ganzes Orchester.

Tonal und sänger:innenfreundlich

Die Musik stammt von der Berliner Sängerin, Dirigentin und Komponistin Esther Hilsberg. Sie schreibt Filmmusik, Oratorien, Musicals, vor allem aber Kinderopern wie „Die chinesische Nachtigall“, „Die Schneekönigin“ oder „Der Nussknacker“. „Max und Moritz“ stammt aus dem Jahr 2013 und wurde an der Kammeroper Köln mit großem Erfolg uraufgeführt. Die Musik ist zu 100% tonal, mit interessanten harmonischen Wendungen, dabei sehr melodisch und gut zu singen. Man merkt sofort, dass die Komponistin auch Sängerin ist. Die Melodien gehen gleich ins Ohr, bei manchen Gesangslinien fragt man sich, warum sie bisher noch keinem anderen Komponisten eingefallen sind. Einzelne Nummern, wie das Duett Witwe Boltes mit ihrem Spitz oder der Lehrermonolog, sind ein bisschen zu lange geraten, aber sonst ist das Stück durchaus hitverdächtig und wäre an jedem Theater oder Opernhaus ein Erfolg.
Man kann den beiden Masterminds dieser Initiative nur gratulieren. Bitte das Projekt Kinderoper unbedingt weiterführen!

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