Aktuell in den Filmclubs (6.12. – 12.12. 2024) Walter Gasperi · Dez 2024 · Film
Der Spielboden Dornbirn zeigt diese Woche nochmals mit „The Substance“ eine sehr stylische, aber auch blutige und plakative Bodyhorror-Satire auf Jugend- und Schönheitswahn. Ebenfalls am Spielboden, aber auch beim Filmforum Bregenz und Ende Februar / Anfang März in der Kinothek Lustenau gibt es Andres Veiels hochspannenden Dokumentarfilm „Riefenstahl“ zu sehen.
The Substance: Die alternde Schauspielerin Elisabeth (Demi Moore) lässt sich auf ein Experiment ein, bei dem sie mittels einer Substanz als junge und wunderschöne Sue (Margaret Qualley) „wiedergeboren wird“. Jeweils nach einer Woche muss sie aber zur Regeneration in ihren alten Körper zurückkehren – eine Vorschrift, gegen die sie bald verstößt.
Ein Coup ist zweifellos die Besetzung der beiden Hauptrollen einerseits mit dem schon fast vergessenen 1990er-Jahre-Star Demi Moore und andererseits mit der aufstrebenden jungen Margaret Qualley („Poor Things“, „Drive-Away Dolls“). Beeindruckend ist auch, wie Coralie Fargeat vor allem in der ersten Hälfte über weite Strecken ohne Dialog und rein in Bildern erzählt. Einprägsame Locations werden präsentiert und großartig versteht es die 48-jährige Französin mit intensiven Farben wie Elisabeths gelbem Mantel, dem blauen samtenen Bett, auf das sich Sue im blauen Samtkleid legt, oder einem pinken Slip und blauen Top farbliche Akzente zu setzen.
Bissig nimmt sie auch die männlich dominierte TV- und Filmbranche aufs Korn, wenn die beiden Männer bei einer Casting-Show sexistische Witze über die vorsprechenden Frauen machen und der TV-Produzent Elisabeth entsorgen und durch eine junge Schauspielerin ersetzen will. Feine Klinge führt Fargeat dabei freilich keine, sondern mag es deftig und plakativ. Expressiv sind Bild- und Tonsprache, Zwischentöne haben hier keinen Platz und vor allem gegen Ende wird dem Publikum bei dieser Abrechnung mit Jugend- und Schönheitswahn mit drastischen Body-Horror-Szenen auch einiges zugemutet.
Spielboden Dornbirn: Sa 7.12., 19.30 Uhr
Riefenstahl: 700 Kisten aus dem Nachlass Leni Riefenstahls (1902–2003), die für die NS-Propagandafilme „Triumph des Willens“ (1934) und „Olympia“ (1938) verantwortlich zeichnet, aber bis zum Lebensende jede Involvierung in das NS-Regime von sich wies, dienten Andres Veiel als Grundlage für seinen Dokumentarfilm. Ganz auf das Archivmaterial vertraut der Dokumentarfilmer, verzichtet auf aktuelle Interviews, verwendet abgesehen von der Found-Footage einzig stellenweise einen von Ulrich Noethen gesprochenen Kommentar, der Szenen in den Kontext stellt oder Hintergründe erläutert.
Eine wahre Herkulesarbeit muss es gewesen sein, die Fülle an Fotos, Notizen, Filmschnipseln, Audiokassetten, Briefen, privaten Super-8-Aufnahmen und die verschiedenen Entwürfe für ihre Memoiren zu sichten und in eine schlüssige Form zu bringen. 18 Monate nahm so auch der Schnitt in Anspruch, für den Stephan Krumbiegel, Olaf Voigtländer und Alfredo Castro verantwortlich zeichnen.
Mehr als die faktenreiche Nachzeichnung des Lebens Riefenstahls interessiert Veiel die Frage, wie man seine eigene Biographie konstruiert und dabei im Nachhinein Ereignisse umdeutet oder weglässt. In assoziativer Montage stellt er dazu Ausschnitte aus Riefensthals eigenen Filmen und Auftritte in Talk-Shows und Interviews vor allem in den 1970er Jahren einander gegenüber und macht durch die Kontrastierung eindrücklich sichtbar, wie sie immer Herrin über ihre Biographie sein wollte.
In dieser intensiven Auseinandersetzung und Aufarbeitung der Verfälschung der eigenen Biographie entwickelt „Riefenstahl“ über das Porträt der umstrittenen Filmemacherin hinaus aber auch Aktualität. Denn gerade in Zeiten von Fake News und Überflutung mit Videos auf den Social Media-Kanälen erinnert Veiel auch an die Macht der Bilder und ihre Interpretation durch die Macher, die Fakten ausblenden und ihre Meinung mit Vehemenz als objektive Wahrheit vertreten.
Spielboden Dornbirn: Di 10.12. + Sa 14.12. – jeweils 19.30 Uhr
Filmforum Bregenz im Metrokino Bregenz: Do 12.12., 20 Uhr
Kinothek extra in der Kinothek Lustenau: Mi 26.2., 20 Uhr + Mo 3.3., 18 Uhr
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