Aktuell in den Filmclubs (26.1. – 1.2.2024) Walter Gasperi · Jän 2024 · Film

In den Filmclubs laufen diese Woche zwei starke Frauenfilme: Das Filmforum Bregenz zeigt Barbara Alberts Bestseller-Verfilmung „Die Mittagsfrau"“ und das Skino Schaan den australischen Spielfilm „Shayda“.

Die Mittagsfrau: Barbara Albert erzählt nach dem Bestseller von Julia Franck die vom Ersten Weltkrieg bis in die 1950er Jahre spannende Geschichte der Halbjüdin Helene (Mala Emde), die schon im Jugendalter von einem Medizinstudium und einem selbstbestimmten Leben träumt, aber immer wieder in ihren Handlungen eingeschränkt wird.
Mit grobkörnigen Bildern im Super-8-Look evoziert Albert die Jugend Helenes und ihrer Schwester Martha im ländlichen Bautzen in den Jahren nach dem Ersten Weltkrieg. Belastet ist diese Zeit durch die psychisch angeschlagene Mutter, die durch die familiären Verluste während des Krieges schwer traumatisiert ist. Sie steht den Freiheitswünschen und den Studienträumen ihrer Töchter ablehnend gegenüber, sodass diese bald zu einer Tante ins pulsierende Berlin der 1920er Jahre fliehen.
Wie Albert mit lichtdurchfluteten und teilweise sehr nahen Einstellungen die sinnliche Stimmung des Landlebens beschwört, so vermittelt sie auch später immer wieder mit grobkörnigen und sehr nahen Aufnahmen die Gefühle und Gedanken Helenes. Gestochen scharfe Breitwandbilder sorgen dagegen für die objektive Perspektive und Außensicht, aus der der Film erzählt ist. 
Wechselnde Stimmung bringen aber auch das Spiel mit Filmformaten sowie die Licht- und Farbdramaturgie zum Ausdruck. Während das Breitwandformat nämlich ein Gefühl der Freiheit vermittelt, erzeugen später Szenen im 4:3 Format eine beklemmende Enge, an der Helene fast zu zerbrechen droht. Und auch dem in kräftige Farben getauchten und von Musik und Tanz bestimmten prallen Leben im Berlin der 1920er Jahre stehen später in der NS-Zeit von kaltem Licht und Farben und kahlen Räumen bestimmte Momente gegenüber.
Zusammengehalten wird die breit gespannte Handlung, bei der vieles nur kurz angeschnitten wird, durch die mit Leidenschaft spielende Mala Emde. Vielschichtig verkörpert sie Helene, macht deren Sehnsüchte und Träume ebenso wie die Niederschläge intensiv erfahrbar, ist Herz und Zentrum von „Die Mittagsfrau“ und trägt dieses Frauendrama. 
Filmforum Bregenz im Metrokino Bregenz: Mi 31.1., 20 Uhr

Shayda: Die in Teheran geborene Noora Niasari weiß genau, wovon sie in ihrem 1995 spielenden Spielfilmdebüt erzählt: Als Fünfjährige lebte sie mit ihrer Mutter in einem australischen Frauenhaus. Dort suchten sie Zuflucht und Sicherheit vor ihrem patriarchalen und gewalttätigen Ehemann bzw. Vater. Aber nicht nur ihrer Mutter, sondern insgesamt den Frauen im Iran, die für ihre Freiheit kämpfen, hat die Regisseurin "Shayda" gewidmet.
Die Angst von Mutter und Tochter sind dabei immer spürbar. Im Frauenhaus fürchtet Shayda ebenso von Hossein entdeckt zu werden wie im Supermarkt, den sie nur mit neuem Haarschnitt, Hut und dunkler Sonnenbrille betritt, um unerkannt zu bleiben. Spürbar wird ihr Schock, wenn sie die Kassiererin dennoch sogleich erkennt und auf ihr verändertes Aussehen anspricht.
Die Beklemmung verstärkt Niasari aber auch durch die Inszenierung. Enge erzeugt so schon das schmale 4:3-Format und die Dominanz von Groß- und Detailaufnahmen verstärkt dieses Gefühl noch. Gleichzeitig lässt diese Nähe der Kamera und die Zeit, die sich die Debütantin für die Schilderung des Alltags von Mutter und Tochter lässt, den Schauspielerinnen viel Raum, um ihren Figuren Profil zu verleihen.
Eindrücklich vermittelt so Zar Amir Ebrahimi, die zuletzt als Journalistin in Ali Abbasis Serienkiller-Thriller „Holy Spider“ brillierte, die Sorge Shaydas um ihre Tochter, der sie ein möglichst normales Leben bieten möchte, die Angst vor der Gewalt ihres Mannes und die Sehnsucht nach einem befreiten Leben. Aber auch Selina Zahednia berührt zutiefst als sechsjährige Mona. Im einfühlsamen Blick Niasaris spürt man, wie sie hier persönliche Erfahrungen verarbeitet. Zunehmend greifbarer wird die Verstörung des Mädchens über den Konflikt der Eltern und seine wachsende Angst vor dem Vater.
Mit zwei Stunden Spielzeit ist dieses unspektakuläre, aber sehr sorgfältig geschriebene und inszenierte und beeindruckend gespielte Drama zwar etwas lang geraten, nimmt aber dennoch mit der detailreichen und intensiven Schilderung der Auswirkungen häuslicher Gewalt und der Abrechnung mit patriarchalen Männern für sich ein und wirkt nach.
Skino Schaan: Di 30.1., 18 Uhr

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