Aktuell in den Filmclubs (24.5. – 30.5.2024) Walter Gasperi · Mai 2024 · Film

Beim Filmforum Bregenz rückt diese Woche der Spielfilm „Animal“ die harte Arbeit der Animateur:innen eines griechischen All-Inclusive-Hotels ins Zentrum. Am Spielboden Dornbirn zeichnet dagegen Asli Özarslan in „Ellbogen“ ein eindrückliches Bild einer frustrierten und nach Identität suchenden jungen Deutschtürkin.

Animal: Wenn beim Titelinsert aus dem „Animal“ das „l“ verschwindet und „Anima“ zurückbleibt, dann macht das schon eindrücklich deutlich, dass die Animateur:innen in dem griechischen All-Inclusive-Hotel eben keine Tiere sind, die man beglotzt, sondern Menschen mit einer Seele. Auf den Alltag dieser Menschen richtet Sofia Exarchou in ihrem zweiten Spielfilm den Blick, die Tourist:innen bleiben dagegen am Rande.
Im Mittelpunkt steht die Enddreißigerin Kalia, die schon neun Jahre im Geschäft ist. Mit nah geführter Kamera und dokumentarischem Blick fängt Exarchou die körperliche Schwerarbeit und den Einsatz ein, den die Auftritte abverlangen. Bauen kann sie dabei auch auf ihre Hauptdarstellerin Dimitra Vlagopoulou, die Kalia mit vollem Körpereinsatz spielt.
Nicht nur mit Evergreens wie „I Can Boogie“ muss sie die Tourist:innen am Abend unterhalten, sondern auch zu einem Bingo-Nachmittag oder zum Wasserballett im Pool singen. Theaterspiel gehört ebenso zu ihren Aufgaben wie eine Tanzshow und richtig ab geht es bei den Erwachsenen-Club-Abenden, bei denen auch reichlich Alkohol fließt.
Ausladend schildert Exarchou die vielfältigen Aufgaben Kalias und zeigt sie auch in der Freizeit mit ihren Kolleg:innen. Man wartet darauf, dass sich ähnlich wie bei den Filmen von Tizza Covi und Rainer Frimmel, mit denen „Animal“ der dokumentarische Blick und das randständige Milieu verbindet, eine Geschichte in den Film schleicht. Doch Exarchou weigert sich, eine klassische Kinogeschichte zu entwickeln. Das kann man einerseits als Qualität von „Animal“ ansehen, andererseits lässt die Beschränkung auf die Zustandsschilderung, aus der sich freilich sukzessive doch das Porträt einer zunehmend zerrissenen und von ihrem Leben frustrierten Frau herauskristallisiert, trotz der atmosphärisch sehr dichten und stimmigen Schilderung dieser Arbeitswelt auch etwas unbefriedigt zurück.
Filmforum Bregenz im Metrokino Bregenz: Mi 29.5., 20 Uhr 

Ellbogen: Ganz auf Augenhöhe ihrer 18-jährigen deutschtürkischen Protagonistin Hazal ist Asli Özarslan in ihrer Verfilmung von Fatma Aydemirs Roman „Ellbogen“. In jeder Szene ist Hazal präsent, ganz aus ihrer Perspektive wird erzählt, nah ist die Kamera von Andac Karabeyoglu-Thomas an ihr dran, vermittelt mit unruhigen Bewegungen die innere Erregung der jungen Berlinerin.
In der Schule werden zwar Bewerbungsschreiben geprobt, doch in der Realität hat Hazal damit keinen Erfolg. Man spürt ihre Wut, wenn sie bei einer Bewerbung für einen Job in der Altenpflege abgewiesen wird. Unbefriedigend ist die Arbeit in der Bäckerei ihrer Mutter. Eine Ausbildung möchte sie machen, erhält aber keine Chance und auch aus dem beengenden familiären Milieu möchte sie ausbrechen. Man spürt, wie sich Frustration und Wut in ihr langsam steigern und als eine Auseinandersetzung in einer U-Bahn-Station dramatisch auf dem Ruder läuft, flieht Hazal nach Istanbul. 
So stark die Szenen in Berlin sind, so verliert „Ellbogen“ in Istanbul doch deutlich an Fahrt. So ratlos wie Hazal mäandert auch der Film dahin, aufgesetzt wirkt ein politisch aktiver Kurde, mit dem wohl der Aspekt der Unterdrückung dieser Minderheit abgedeckt werden soll. Dennoch packt dieser Coming-of-Age-Film nicht zuletzt dank des natürlichen und leidenschaftlichen Spiels von Melia Kara als Hazal und vermittelt ein eindringliches Bild von der Zerrissenheit junger Deutschtürk:innen und der Aggression, die sich durch vielfältige alltägliche Frustrationen aufstaut und aufbaut.
Spielboden Dornbirn: Do 30.5., 19.30 Uhr

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