Aktuell in den Filmclubs (24.1. – 30.1.2025) Walter Gasperi · Jän 2025 · Film

In der Kinothek Lustenau wird diese Woche die berührende Tragikomödie „Marianengraben“ gezeigt. Beim Filmforum Bregenz steht dagegen unter anderem der polnische Spielfilm „Kobieta z ... / Frau aus Freiheit“ auf dem Programm, der bewegend von der sich über Jahrzehnte hinziehenden und durch Repressionen behinderten Selbstfindung einer Transfrau erzählt.

Marianengraben: Altbekannt ist die Geschichte von einem ungleichen Duo, das sich auf einer Reise langsam näher kommt. Dennoch sorgen eine gefühlvolle Regie und vor allem die beiden bestens harmonierenden Hauptdarsteller:innen Luna Wedler und Edgar Selge dafür, dass diese Tragikomödie berührt. Feinfühlig lotet Eileen Byrne in ihrem Langfilmdebüt die tiefe Trauer Paulas (Luna Wedler) aus, die der Tod ihres etwa zehnjährigen Bruders Tim ausgelöst hat. An seinem Geburtstag will sie nachts an seinem Grab um ihn trauern, trifft auf dem Friedhof aber auf den alten Helmut (Edgar Selge), dem sie helfen soll die Urne seiner verstorbenen Ex-Frau Helga auszugraben. Als sie entdeckt werden, flüchten sie gemeinsam in Helmuts Wohnmobil in Richtung Italien.
Gegensätze prallen mit der in tiefer Trauer erstarrten jungen Frau und dem griesgrämigen alten Mann aufeinander. Kontroversen bleiben nicht aus, gleichzeitig kommen sie sich aber auch durch groteske Erlebnisse langsam näher. Zudem öffnen sie sich sukzessive dem jeweils anderen.
Ganz auf ihre beiden Protagonist:innen fokussiert Byrne, Nebenfiguren gibt es kaum. Viel Raum lässt die Regisseurin so Luna Wedler und Edgar Selge, die es großartig verstehen diesen zu nutzen. Bewegend machen sie die Nachwirkungen des Verlusts, die Schwierigkeit darüber hinwegzukommen, aber auch Schuldgefühle spürbar. Auch wenn der Weg von Beklemmung und Niedergeschlagenheit zu innerer Befreiung und tröstlich-optimistischem Ende ganz den Mechanismen vieler Tragikomödien folgt, so berührt „Marianengraben“ dank der Lebensnähe der Gefühle, die jeden betreffen, doch und überzeugt auch durch die sichere Mischung von Witz und Ernst, die ein Abgleiten in Sentimentalität verhindert.
Kinothek extra in der Kinothek Lustenau: Mi 29.1., 20 Uhr + Mo 3.2., 18 Uhr

Kobieta z ... / Frau aus Freiheit: Von Kindheit an fühlt sich Andrzej (Małgorzata Hajewska-Krzysztofik) anders, doch Jahrzehnte wird es dauern, bis er sich in der Öffentlichkeit zu seiner weiblichen Identität bekennt. Mit der Erstkommunion von Andrzej in einer polnischen Kleinstadt der 1970er Jahren lassen Małgorzata Szumowska und Michał Englert so ihren Spielfilm beginnen und werden den Bogen mit Zeitinserts gegliedert bis ins von der Covid-Pandemie geprägte Jahr 2022 spannen.
Gleichzeitig verbinden Szumowska und Englert aber auch bestechend die persönliche Geschichte Andrzejs mit der politischen Entwicklung Polens vom Kommunismus zur postsozialistischen Gesellschaft. Im Kontrast zu den Feiern zum Fall des Eisernen Vorhangs und des Unabhängigkeitstags steht dabei das innere Gefängnis, in dem Andrzej steckt.
Indem das Duo konsequent aus seiner / ihrer Perspektive erzählt, vermitteln sie intensiv die psychische Belastung dieser Verdrängung von Sehnsüchten und der wahren Identität. Schmerzhaft spürbar wird seine / ihre Befindlichkeit auch dank der grandiosen Verkörperung Andrzejs durch die cisgender Frau Małgorzata Hajewska-Krzysztofik, die über 130 Minuten in jeder Szene präsent ist und die ebenso dichten wie teils kurzen Szenen zusammenhält.
Dennoch ist „Kobieta z ... / Frau aus Freiheit“ kein pessimistischer Film, sondern er lässt Andrzej / Aniela trotz aller Behinderungen und bitteren Erfahrungen ihren Weg gehen und nicht nur ihre Selbstbestimmung und Freiheit, sondern schließlich auch die Versöhnung mit Angehörigen finden. Geschickt zurrt das Regieduo dabei auch die sich über 45 Jahre spannende Handlung zusammen, indem am Ende Bilder vom Anfang wieder aufgenommen und variiert werden.
Filmforum Bregenz im Metrokino Bregenz: Do 30.1., 20 Uhr

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