Aktuell in den Filmclubs (23.2. – 29.2.2024) Walter Gasperi · Feb 2024 · Film

Das TaSKino Feldkirch zeigt diese Woche das einfallsreiche und experimentelle britische Mockumentary „Lola“, das die Frage verhandelt, was passieren würde, wenn man in den Lauf der Geschichte eingreifen könnte. Am Spielboden Dornbirn läuft dagegen der einfühlsame Dokumentarfilm „Kleines Mädchen“, der ein siebenjähriges Kind begleitet, das als Junge geboren wurde, sich aber als Mädchen fühlt.

Kleines Mädchen: Bei einem Psychologen berichtet die Mutter Sashas, dass ihr Kind schon als mit zwei Jahren äußerte, dass es als Erwachsener ein Mädchen werden wolle. Nun sind fünf Jahre vergangen und Sasha geht in die zweite Klasse. Gerne würde sie auch in der Schule Mädchenkleider tragen, doch der Direktor verbietet das, die Klassenlehrerin diskriminiert Sasha wegen ihres Verhaltens und bei den Mitschüler:innen findet sie kaum Anschluss: Den Mädchen ist Sasha zu männlich, den Buben wieder zu mädchenhaft.
Aber die Mutter berichtet auch von ihren Schuldgefühlen, fragt sich, ob sie für die sexuelle Identitätsstörung verantwortlich sei, weil sie sich während der Schwangerschaft ein Mädchen wünschte und enttäuscht war, als ihr mitgeteilt wurde, dass sie einen Jungen bekommen werde.
Kommentarlos begleitet Sébastien Lifshitz Sasha und ihre Mutter, die alles für ihr Kind tut, aber sich schon jetzt sorgt, dass sie wohl nie eine normale Jugend genießen kann, durch ein Jahr. Ganz auf Augenhöhe mit Sasha und ihrer Familie ist der Film, größte Sensibilität und Einfühlungsvermögen kennzeichnen den Blick. Großes Nahverhältnis und tiefes Vertrauen zwischen dem Filmemacher und den Protagonist:innen wird im völlig natürlichen Auftreten der Familie spürbar. Trotz der Nähe wirkt hier nichts voyeuristisch, sondern geht durch den empathischen Blick nahe.
Gleichzeitig bewahrt dieser Dokumentarfilm dennoch Leichtigkeit, vermittelt auch die Lebensfreude Sashas, ihre Sehnsucht nach einem ganz normalen Leben und die Hindernisse, die eine heteronormative Gesellschaft dabei in den Weg legt. So ist „Kleines Mädchen“ nicht nur das einfühlsame Porträt eines Transgender-Mädchens, sondern auch ein leises und ruhiges, aber dennoch entschiedenes Plädoyer für mehr Toleranz und für einen Abbau tradierter heterosexueller Geschlechtsbilder.
Spielboden Dornbirn – Reihe „GoWest – Bunte Streifen“: Sa 24.2., 17 Uhr

 

Lola: Andrew Legge erzählt in seinem Mockumentary von zwei fiktiven britischen Schwestern namens Thom und Martha, die Ende der 1930er Jahre eine Maschine erfinden, mit der die Zukunft vorausgesehen und damit der Verlauf des Zweiten Weltkriegs beeinflusst werden kann. Haben aber die Nazis diese Waffe durchschaut, können sie die Briten auch durch gezielte Fehlmeldungen in die Irre führen.
Vielschichtig reflektiert der Ire dabei in diesem mit viel Einfallsreichtum und Feingefühl gedrehten Film nicht nur die Frage, wie Eingriffe in die Gegenwart die ganze spätere Zukunft beeinflussen können, sondern fragt auch nach der Ethik solcher Eingriffe. Gleichzeitig stellt er aber auch der kühlen und androgynen Thom, die rein für die Wissenschaft lebt und für die dabei Menschenleben keine Rolle spielen, die leidenschaftliche und verträumte Martha gegenüber, für die aus der Zukunft David Bowie, Bob Dylan und Stanley Kubrick zu ihren großen Idolen werden.
Idealismus trifft so auch auf Rationalismus und der befreienden und aufklärerischen Kraft der Musik, die Dylan und Bowie vermitteln, wird auch deren Instrumentalisierung durch die Politik gegenübergestellt. Denn einerseits wird der 1960er Jahre-Hit der Kinks „You Really Got Me“, den Martha mit ihrer Schwester in einer Bar singt, zur medial vielfältig benutzten Chiffre für den Sieg Englands über Nazi-Deutschland, andererseits macht in einer alternativen Zukunftsentwicklung ein fiktiver Sänger namens Reginald Watson Karriere mit einem faschistischen Song, in dem Einheit und Gleichschritt sowie die Verfolgung Andersdenkender propagiert wird.
So schließt Legge in seinem ziemlich einzigartigen Mockumentary auch Politik und Popkultur kurz und zeigt, wie sie sich gegenseitig beeinflussen, schafft aber mit seinen beiden Protagonistinnen auch zwei starke, ganz heutige Frauenfiguren.
TaSKino Feldkirch im Kino Rio: So 25.2., Mo 26.2., Do 29.2.
Filmforum Bregenz im Metrokino Bregenz: Do 7.3., 20 Uhr

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