Aktuell in den Filmclubs (21.4. – 27.4. 2023) Walter Gasperi · Apr 2023 · Film

Am Spielboden Dornbirn steht diese Woche mit M. Night Shyamalans „Knock at the Cabin“ ein Horrorfilm auf dem Programm, der sich vom Home Invasion-Movie zur Warnung vor der Apokalypse wandelt. Vom Schrecken des Anschlags von Bataclan am 13.11.2015, von Trauer und Schmerz, aber auch vom Weiterleben erzählt dagegen Kilian Riedhof in „Meinen Hass bekommt ihr nicht“, der im Lindauer Club Vaudeville gezeigt wird.

Knock at the Cabin: Im 13. Spielfilm vom „The Sixth Sense“-Regisseur M. Night Shyamalan bedrohen zwei Männer und zwei Frauen eine Kleinfamilie in einem Waldhaus. Die Aggressoren fordern, dass die Familie ein Mitglied opfert, da nur dadurch die Welt gerettet werden könne. TV-Berichte von Tsunamis, Seuchen und zahlreichen Flugzeugabstürzen verleihen der Warnung vor der nahenden Apokalypse Nachdruck.
Mit diesen TV-Berichten holt Shyamalan auch die Welt in die abgeschiedene Waldhütte, die der einzige Schauplatz von „Knock at the Cabin“ ist. Nicht nur mit den globalen Krisen und dem kammerspielartigen Charakter des Films wird dabei ein starker Gegensatz aufgebaut, sondern der Welt und der gesamten Menschheit steht auch die Kleinfamilie gegenüber und dem Sendungsbewusstsein der Eindringlinge die Rationalität des schwulen Paares.
Ganz so klar sind allerdings die Fronten nicht. Denn deren Warnung vor der Apokalypse gewinnt Nachdruck durch die TV-Berichte. Zunehmend beklemmender wird so auch das Bild einer aus den Fugen geratenen Welt und einerseits erscheinen die vermeintlichen Spinner als hellsichtige Warner, andererseits gewinnt die Aufforderung zur Opferbereitschaft der Kleingruppe für das Wohl der Allgemeinheit an Nachdruck. 
So reaktionär diese Botschaft vom Opfer des Einzelnen für die Allgemeinheit auch ist, so versteht es Shyamalan doch mit der Konzentration auf das Waldhaus, das nur bei einigen Rückblenden sowie den TV-Berichten verlassen wird, einem starken Sound-Design und extremen Großaufnahmen, die selten Überblick gewähren, zu verunsichern und meisterhaft Spannung zu erzeugen. Gleichzeitig tut man sich schwer, diesen Film aufgrund seiner Verankerung in den realen Krisen des 21. Jahrhunderts sogleich wieder als Kinofiktion abzutun, sodass die Verunsicherung über das Filmende hinaus anhält.
Spielboden Dornbirn: Sa 22.4. + Do 27.4. – jeweils 19.30 Uhr

 

Meinen Hass bekommt ihr nicht: Nach dem Anschlag von Bataclan am 13. November 2015 erregte der Pariser Journalist Antoine Leiris, dessen Frau bei diesem Attentat ums Leben kam, mit seinem Facebook-Post „Meinen Hass bekommt ihr nicht“ weltweit Aufsehen. Dem Hass der IS-Attentäter setzte er darin die Liebe zu seinem Sohn entgegen.
Bewegend erzählt Kilian Riedhof von der Erschütterung einer ganzen Stadt durch den Anschlag und in der Folge von Leiris´ Umgang mit dem Verlust und der Trauer, aber auch von seiner grenzenlosen Liebe zu seinem Sohn, bis irgendwann das Leben dann doch wieder weitergeht.
Konventionell ist die Inszenierung, aber das Drama packt durch das starke Spiel von Pierre Deladonchamps als Antoine und Zoé Iorio als dessen Sohn Melvil. Die Emotionen muss Riedhof dabei nicht forcieren, die Geschichte allein reicht aus, um mehrfach heftig auf die Tränendrüsen zu drücken. In kleinen Szenen, wie der Angst, die ein harmloser Knall in einer U-Bahn verbreitet, wird eindrücklich erfahrbar, wie die Angst nach dem Anschlag nachhallt. Auch in der Dominanz von kaltem Blau und Grau wird die beklemmende Atmosphäre spürbar, bis am Ende auch helle Farben und Licht signalisieren, dass das Leben wieder Oberhand über die Trauer gewinnt. Gleichzeitig wird mit dem Film auch Antoine Leiris ein Denkmal gesetzt. In der Konzentration auf diesen Journalisten und seinen Sohn gewinnen freilich die Menschen um ihn kaum Profil.
Club Vaudeville, Lindau: Di 25.4., 20 Uhr

 

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