Aktuell in den Filmclubs (21.2. – 27.2.2025) Walter Gasperi · Feb 2025 · Film
Am Spielboden Dornbirn steht diese Woche unter anderem Bertrand Bonellos visuell brillanter und aufregend erzählter, aber auch ziemlich verkopfter Genre-Mix „The Beast“ auf dem Programm. Das Kinotheater Madlen in Heerbrugg (und Mitte März das Kino Guk in Feldkirch) zeigt dagegen den für zwei Oscars nominierten Animationsfilm "Flow".
Flow: Nach zahlreichen Auszeichnungen wurde der Animationsfilm des Lettischen Regisseurs Gints Zilbalodis auch sowohl für den Oscar für den besten Animationsfilm als auch für den Oscar für den besten internationalen Film nominiert. In berauschenden Bildern erzählt Zilbalodis in seinem nach „Away – Vom Finden des Glücks“ (2019) zweiten langen Animationsfilm von einer kleinen schwarzen Katze, die auf der Flucht vor einer Flut Ängste überwinden muss und auf dem Boot, auf das sie sich rettet, langsam neue tierische Freunde findet.
Der 31-jährige Regisseur kommt dabei nicht nur ohne Menschen und ohne Worte aus, sondern sein Film, der an die biblische Arche Noah ebenso erinnert wie an Homers „Odyssee“, entwickelt mit Point-of-Aufnahmen bei der hereinbrechenden Flut oder der Flucht vor anderen Gefahren auch große immersive Kraft. Aber auch die fotorealistische Genauigkeit, mit der die Natur gestaltet ist, begeistert, gleichzeitig bleibt „Flow“ im Verzicht auf Erklärungen für die Flut und in Details wie einer halbversunkenen Palastanlage offen für vielfältige Interpretationen.
Im Stil klassischer Fabeln wird dabei anhand von Tieren, ohne dass diese vermenschlicht würden, von existentiellen Fragen und Verhaltensweisen erzählt. So geht es um materielle Gier und Ausgrenzung ebenso wie um die Überwindung von Feindschaften und die Notwendigkeit zur Anpassung in einer veränderten Situation. Nicht das kleinste Wunder dieses Filmkunstwerks abseits von Pixar und Disney ist dabei, dass es mit seiner Bildkraft und seiner Tiergeschichte einerseits ein magisches Kinoerlebnis für Kinder bietet, andererseits mit seinem inhaltlichen Reichtum auch Erwachsene begeistern kann.
Kinotheater Madlen, Heerbrugg: Mo 24.2., 20.15 Uhr
Kino Guk, Feldkirch: So 16.3., 15 Uhr
The Beast: Um einen besseren Job zu bekommen, unterzieht sich Gabrielle (Léa Seydoux) in der 2044 spielenden Haupthandlung einem Experiment, durch das sie sich durch Beseitigung aller Gefühle einer völlig rational entscheidenden KI annähert. Während des Verfahrens taucht sie in ihre früheren Leben ein und erlebt im Paris des Jahres 1910 eine große, aber scheiternde Liebe, während sie im Los Angeles des Jahres 2014 ins Visier eines jungen Frauenhassers gerät.
Faszinierend ist, wie Bertrand Bonello Historienfilm, einen an David Lynch erinnernden düsteren Thriller und Science-Fiction-Szenario mischt. Mit Ausstattung und langen gleitenden Kamerafahrten beschwört er dabei in den Paris-Szenen ebenso überzeugend die Stimmung und die Gefühle des frühen 20. Jahrhunderts, wie mit kalten Räumen und Videobildern die Einsamkeit und Verlorenheit im Los Angeles des frühen 21. Jahrhunderts, in dem die Menschen unfähig sind, ihre Gefühle auszudrücken. Noch trister ist freilich sein Blick auf die Zukunft, in der alle Gefühle unterdrückt oder verboten werden, und wenn sie schließlich doch ausbrechen, nur mit Schrecken wahrgenommen werden.
Doch nicht nur mit den kühlen Bildern, sondern auch mit der Ausstattung und dem großartigen Spiel von Léa Seydoux und George MacKay, der immer kühl und zurückhaltend bleibt, entwickelt sich „The Beast“ zur faszinierenden Reflexion über den Wandel oder vielmehr das Verschwinden von Gefühlen in einer zunehmend technisierten und entmenschlichten Welt.
Dass dabei angesichts der dichten Struktur beim erstmaligen Sehen viele Rätsel zurückbleiben, schadet kaum, regt das doch an, diesen herausragenden Film mehrmals zu sehen. Glücklich sollte man deshalb sein, dass es immer noch so aufregende Filme gibt, die in keine Schublade passen und ganz eigene und neue Wege beschreiten und daran erinnern, welche unbegrenzten Möglichkeiten das Kino abseits ausgetretener Pfade hat. Dazu gehört auch, dass am Ende statt eines Abspanns ein QR-Code steht, der die entsprechenden Informationen liefert.
Spielboden Dornbirn: Mi 26.2., 19.30 Uhr
Weitere Filmkritiken, Streamingtipps, DVD-Besprechungen und Regisseur-Porträts finden Sie auf meiner Website https://www.film-netz.com.