Aktuell in den Filmclubs (20.10. – 26.10. 2023) Walter Gasperi · Okt 2023 · Film

Das TaSKino Feldkirch bietet mit Rebecca Zlotowskis „Les enfants des autres – Dein Kind und wir“ diese Woche mitreißendes Gefühlskino um den Kinderwunsch einer 40-jährigen Lehrerin. Klassische Musik gibt dagegen im Filmforum Bregenz beim Biopic „Divertimento – Ein Orchester für alle“ den Ton an.

Les enfants des autres – Dein Kind und wir: Als die 40-jährige Lehrerin Rachel (Virginie Efira) beim Gitarrenkurs den geschiedenen Automobildesigner Ali (Roschdy Zem) kennenlernt, verlieben sie sich sofort. Auch Alis vierjährige Tochter Leila schließt wiederum Rachel rasch ins Herz, gleichzeitig weckt das Mädchen ebenso wie die Schwangerschaft ihrer Schwester ihren eigenen Kinderwunsch.
Rebecca Zlotowski erzählt schnell und in dichter Szenenfolge. Sie beschwört das Glück eines Wochenendtrips mit Ali und Leila in die Camargue, spart auch die Arbeit Rachels in der Schule mit ihren Bemühungen um den schwierigen Schüler Dylan nicht aus. Doch bei der Rückkehr von dem Trip will Leila eben wieder zur Mami und Leilas fünften Geburtstag feiert Ali bei den Eltern seiner Ex-Frau auf dem Land. – So geht es für einmal nicht um die Leiden der Kinder unter der Trennung der Eltern, sondern vielmehr um die Probleme einer Patchwork-Familie und wie das Kind die Beziehung von Ali und Rachel schwer belastet.
Leichthändig, lebensbejahend und kraftvoll ist das inszeniert. Souverän wechselt Zlotowski zwischen Szenen, in denen sie mitreißend das Glück der Liebe beschwört, und traurigeren Momenten. Fulminant ist auch der Soundtrack, der fast durchgängig diesem ebenso energetischen wie lichten und leidenschaftlichen Film unterlegt ist, aber nie zur Musiksauce wird. 
TaSKino Feldkirch im Kino GUK: Sa 21.10. + Mo 23.10.


Divertimento – Ein Orchester für alle: Marie-Castille Mention-Schaar zeichnet den Weg der jungen algerischstämmigen Zahia Ziouani ans Dirigent:innenpult nach. Behaupten muss sich die in kleinbürgerlichen Verhältnissen in einem Pariser Vorort aufgewachsene junge Frau dabei zusammen mit ihrer Cello spielenden Zwillingsschwester nicht nur in einer Männerdomäne, sondern sie müssen auch gegen die Ressentiments der aus dem gehobenen Bürgertum stammenden Mitschüler:innen ankämpfen.
Durchaus Potential für einen mitreißenden Film bietet dieser Stoff, doch die Inszenierung ist leider arg konventionell und einfallslos. Mention-Schaar beschränkt sich darauf, Szenen der liebevollen Familie der musikalischen Zwillinge und der unermüdlichen Proben mit Mobbing in der Schule sowie Förderung durch einen alten Maestro aneinanderzureihen. Nie wird hier aber ein Moment verdichtet oder ein Aspekt wirklich packend herausgearbeitet.
Schal wie abgestandenes Mineralwasser wirkt „Divertimento“ in seiner gleichförmigen Erzählweise. Sympathisch sind zwar die Hauptdarstellerinnen Oulaya Amamra und Lina El Arabi, aber ambivalentes und vielschichtiges Profil können sie den beiden jungen Musikerinnen nicht verleihen. Mehr in Erinnerung bleibt hier schon Niels Arestrup als zunächst mürrischer und harter, dann aber rasch das Talent Zahias erkennender und dieses fördernder Star-Dirigent. Wie diese Figur aber letztlich das Klischee des Griesgrams mit gutem Herz unter rauer Schale bedient, so ist dieser Musikfilm insgesamt viel zu harmoniesüchtig und weichgespült. Bruchstellen gibt es hier keine. Fies mögen zwar Mitschüler:innen und auch die Schulleitung sein, doch alle Probleme lösen sich immer wieder rasch in Wohlgefallen auf. Kein Problem und kein Konflikt wird wirklich zugespitzt und differenziert ausgehandelt.
So ist es letztlich die Musik von Ravel über Haydn bis zu Saint-Saëns und Prokofjew, die „Divertimento“ am Laufen hält und über die dramaturgischen Schwächen zumindest teilweise hinwegtäuscht. Viel Raum lässt die Regisseurin diesen Klängen in den Proben und auch der Alltag ist für Zahia mit dem Rattern einer Schnellbahn, Straßengeräuschen oder dem Flattern von Tauben von Musik förmlich durchdrungen. 
Filmforum Bregenz im Metrokino Bregenz: Mi 25.10., 20 Uhr

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