Aktuell in den Filmclubs (19.5. – 25.5. 2023) Walter Gasperi · Mai 2023 · Film

Beim TaSKino Feldkirch steht diese Woche mit Sam Mendes´ „Empire of Light“ eine nostalgische Liebeserklärung ans Kino auf dem Programm. Die Kinothek Lustenau zeigt dagegen mit „Vera“ Tizza Covis und Rainer Frimmels leichthändig zwischen Dokumentar- und Spielfilm changierendes Porträt der Tochter des einstigen Italo-Western-Stars Giuliano Gemma.

Empire of Light: Sam Mendes verknüpft vor dem Hintergrund der zunehmenden sozialen Spannungen im England der beginnenden Thatcher-Ära eine zarte Liebesgeschichte zweier Außenseiter:innen mit einer Liebeserklärung ans Kino. 
So sanft und zart Mendes von der Liebe zwischen der an einer psychischen Krankheit leidenden Kinoangestellten Hilary (Olivia Coleman) und Stephen (Michael Ward) erzählt, der wegen seiner dunklen Hautfarbe rassistischen Übergriffen ausgesetzt ist, so nostalgisch ist sein Blick auf diese vergangene Kino-Zeit, die auch durch den stimmungsvollen Soundtrack von Trent Reznor und Atticus Ross beschworen wird. 
Wie der Filmvorführer von der zentralen Bedeutung des Lichts für den Film spricht, so lässt Kameramann Roger Deakins diese in seinen in warme Farben und Licht getauchten Bildern spüren. Auf artistische Kamerabewegungen wie in „1917“ verzichtet er hier, arbeitet funktional und macht mit seiner Bildgestaltung dieses südenglische Kino zu einem Hauptdarsteller, der Olivia Colman und Michael Ward fast in den Schatten stellt.
Zwar harmoniert das Duo bestens und macht eindrücklich die schwierige Situation ihrer Figuren spürbar, doch zu viel packt Mendes letztlich in seinen Film, wenn neben psychischer Krankheit, Rassismus und Hommage ans Kino auch noch die Verwerfungen der Thatcher-Ära und das Aufblühen der rechtsradikalen Skinheads angeschnitten werden. Zu wenig fokussiert wirkt „Empire of Light“ in dieser Fülle und nicht zusammenpassen will auch der nostalgische Blick aufs Kino mit den harten gesellschaftlichen Auseinandersetzungen. Bei allen Schönheiten wirkt Mendes‘ neunter Film so auch zerrissen und lässt etwas zwiespältig zurück.
TaSKino Feldkirch im Kino GUK: Fr 19.5. bis Mo 22.5.

Vera: Tizza Covi und Rainer Frimmel zeichnen in ihrem beim Filmfestival von Venedig mehrfach ausgezeichneten Film in gewohnt souveräner Mischung von Dokumentar- und Spielfilm ein eindrückliches Porträt der Tochter des einstigen Italo-Western-Stars Giuliano Gemma und decken auch soziale Gegensätze auf.
Die Fiktion schleicht sich spätestens in die dokumentarische Schilderung, wenn Veras Chauffeur, der von Covi/Frimmels Stammschauspieler Walter Saabel gespielt wird, bei einem Unfall den achtjährigen Vorstadtjungen Manuel verletzt. Indem die ziellose Vera Sorge für diesen Jungen entwickelt und, um ihrem Leben einen Sinn und eine Richtung zu geben, die Rolle einer Ersatzmutter übernimmt, taucht der Film auch in ein ganz anderes Milieu ein.
Dem hippen Trastevere steht das einfache Arbeiterviertel San Basilio gegenüber und dem Single-Leben Veras die Familie Manuels mit Vater und Großmutter, die in einer kleinen Wohnung ohne fließendes Wasser lebt. Nicht nur prekäre Lebensverhältnisse, in denen der als Mechaniker arbeitende, über den ganzen Körper tätowierte Vater auch mit krummen Touren das Familieneinkommen aufbessern will und seinen Sohn instrumentalisiert, werden dabei sichtbar, sondern auch Aggression und häusliche Gewalt.
Die Kunst von Covi/Frimmel ist dabei, nichts besonders zu betonen, sondern sich auf eine unaufgeregte Beobachtung zu beschränken. Die Besetzung der Rollen mit Laienschauspieler:innen und das spürbar nahe Verhältnis zwischen dem Filmteam und den Akteur:innen sorgt einerseits für große Authentizität, andererseits für große Nähe. Nichts wirkt hier gestellt, sondern jede Einstellung atmet echtes Leben und in der Empathie für Vera und Manuels Familie, die mit stiller Verzweiflung ums kleine Glück kämpfen, durchzieht auch eine berührende humanistische Note diese unauffällig großartige filmische Perle.
Kinothek Lustenau: Mo 22.5., 20 Uhr + Mi 24.5., 18 Uhr

 

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