Aktuell in den Filmclubs (19.4. – 25.4.2024) Walter Gasperi · Apr 2024 · Film

Zwei Klassiker stehen diese Woche bei den Filmclubs auf dem Programm: Das TaSKino Feldkirch zeigt mit "Stop Making Sense" Jonathan Demmes meisterhaften Konzertfilm mit den Talking Heads und das Skino Schaan präsentiert im Rahmen der Reihe "The Ones We Love" Fernarno Meirelles fulminanten Gangsterfilm "Cidade de Deus – City of God".

Stop Making Sense: Zum 40. Geburtstag kehrt Jonathan Demmes Konzertfilm mit den Talking Heads in 4K restaurierter Fassung in die Kinos zurück. Immer noch gibt es aber, abgesehen vielleicht von Martin Scorseses Dokumentation des letzten Konzertes von The Band („The Last Waltz“), in diesem Genre nichts, was sich mit „Stop Making Sense“ messen könnte. Der damals noch recht unbekannte Regisseur Jonathan Demme – erst Jahre später wird ihn „Das Schweigen der Lämmer“ weltberühmt machen – und sein Kameramann Jordan Cronenweth beschränkten sich auf das Abfilmen von vier Konzerten der Kultband. Keine Hintergrundinformationen werden geliefert, keine Interviews mit den Bandmitgliedern und auch die filmischen Mittel werden bewusst zurückgenommen: keine Special Effects, keine große Bühnenshow, kein überflüssiges Beiwerk, stattdessen bleibt die Kamera immer nah an den Gesichtern, an den Körpern – ein Wunderwerk filmischer Reduktion.
Die Musik soll hier für sich sprechen – und das kann sie auch fraglos. Der Film beginnt mit „Psycho Killer“, das als Solo dargeboten wird, und erst von Song zu Song vervollständigt sich die Gruppe, wobei alle Klassiker von „Burning down the House“ über „Once in a Lifetime“ bis zu „Take me to the River“ geboten werden. Die Gelegenheit diesen Klassiker wieder einmal zu sehen oder auch neu zu entdecken, sollte man sich nicht entgehen lassen.
TaSKino Feldkirch im Kino GUK: So 21.4., tba; Mo 22.4., 18 Uhr; Do 25.4., 18 Uhr

Cidade de Deus – City of God: Ein Messer wird gewetzt – ein Huhn wird gerupft – Menschen tanzen und singen auf der Straße – ein anderes Huhn entkommt und eine Gruppe Jugendlicher wird aufgefordert es zu fangen. Die nervöse Handkamera hetzt dem flüchtenden Tier durch die engen Gassen nach, übernimmt phasenweise sogar dessen Perspektive und plötzlich kommt diese frenetische Bewegung zum Stillstand: am einen Ende der Straße steht eine Polizeitruppe, am andern eine Gang und zwischen beiden Fronten das Huhn und der junge Fotograf Buscapé.
Erst nach zwei Stunden wird diese furiose Eröffnungssequenz zu Ende erzählt werden, denn vorerst erinnert sich Buscapé an seine Kindheit und Jugend, an sein Leben in der „Cidade de Deus“, einem Armenviertel von Rio de Janeiro. Ausufernd ist diese Geschichte von Bandenkriegen, korrupter Polizei, von Kindern, die zu Mördern werden und von der Entwicklung der Verbrecherszene von spontanen Überfällen zu geplantem Drogenhandel. Immer neue Figuren werden eingeführt, mehrmals wird die Rückblende unterbrochen, um durch weitere Rückblenden die Szene in einen Kontext zu stellen, und dann fügt Buscapé, dessen Kommentar den Film zusammenhält, wiederum hinzu, dass er über diese oder jene Figur erst später erzählen wird.
Virtuos wird mit diesen Retardierungen Spannung erzeugt, brillant hält Fernando Meirelles die Erzählfäden immer in der Hand und fügt das Puzzle zu einer Einheit. Eine Sozialstudie ist dies freilich nicht, sondern ein kraftvoller, wenn auch oberflächlicher Action-Film über die unterschiedlichen Lebenswege zweier Jugendlicher.
Für differenzierte Charakterisierungen bleibt bei der nie zur Ruhe kommenden Erzählweise keine Zeit und im Wechsel von Zeitlupe, Stop-Motion und Zeitraffer brechen in der an Videoclips und Werbung orientierten Ästhetik ständig neue Kaskaden der Gewalt herein. Doch durch dieses permanente Vorwärtsdrängen und durch den Einsatz der nervös geführten Handkamera – durch diesen Furor des Erzählens - entwickelt „Cidade de Deus“ eine vibrierende Spannung, einen atemberaubenden Drive und eine Intensität, wie sie nur selten zu finden sind. 
Skino Schaan in der Reihe „The Ones We Love“: Do 25.4., 20.15 Uhr

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