Aktuell in den Filmclubs (19.1. – 25.1. 2024) Walter Gasperi · Jän 2024 · Film

Während beim Filmforum Bregenz, der LeinwandLounge in Bludenz und in Heerbrugg diese Woche Justine Triets packender Cannes-Sieger „Anatomie d‘une chute" auf dem Programm steht, zeigt das Skino in Schaan noch einige Male mit „Priscilla“ Sofia Coppolas Biopic über die Gattin Elvis Presleys.

Anatomie d‘une chute – Anatomie eines Falls: Ein Mann wird tot vor seinem Haus aufgefunden: War es ein Sturz? War es Selbstmord oder doch eine Tat der Gattin? 
Justine Triets mit der Goldenen Palme von Cannes ausgezeichneter Spielfilm ist nicht nur von Sandra Hüller in der Hauptrolle und in allen Nebenrollen intensiv gespielt, sondern auch großartig geschrieben und aufgebaut. Dicht und schnörkellos entwickelt die Französin die Handlung, bringt immer wieder die wechselnden Perspektiven und Argumentationslinien ins Spiel.
Über das Gerichtsdrama hinaus, in dem in Manier klassischer Gerichtsfilme akribisch der Fall nachgezeichnet wird, entwickelt sich „Anatomie d‘une chute“ auch zur Sezierung einer Ehe und deren Verfall. Sichtbar macht Triet dabei aber auch, wie unterschiedlich diese von außen und von innen wahrgenommen wird.
Das Kinopublikum ist dabei quasi in der Position der Geschworenen, hat gleichviel Informationen wie diese und muss so auch für sich, auch wenn man kein sicheres Wissen hat, schließlich eine Entscheidung treffen: Letztendliche Wahrheit gibt es hier nicht und jede Wahrnehmung erscheint als subjektiv, jede Argumentation ist von bestimmten Interessen geleitet, legt die Fakten und Informationen so aus, wie sie am besten in die jeweilige Position hineinpassen. Selbst die schriftstellerischen Werke der Protagonistin werden so vom Staatsanwalt herangezogen, um Parallelen zwischen Leben, Mord und Roman herzustellen.
Neue filmische Wege beschreitet Triet dabei zwar nicht, doch sie bietet dank der schnörkellosen Umsetzung des perfekt aufgebauten Drehbuchs, für das sie selbst und Arthur Harari verantwortlich zeichnen, ungemein dichtes und intensives, weitgehend vom Dialog bestimmtes Kino, das auch über die Länge von 150 Minuten keine Sekunde Leerlauf aufkommen lässt.
Kinotheater Madlen, Heerbrugg: Mo 22.1., 20.15 Uhr
LeinwandLounge in der Remise Bludenz: Mi 24.1., 19 Uhr
Filmforum Bregenz im Metrokino Bregenz: Mi 24.1., 20 Uhr

 

Priscilla: Während Baz Luhrmann in „Elvis“ mit bombastischer Inszenierung Aufstieg und Fall von Elvis Presley nachzeichnete und Bühnenauftritte eine zentrale Rolle spielten, erzählt Sofia Coppola ganz aus der Perspektive seiner Geliebten und Gattin Priscilla Beaulieu (Cailee Spaeny). Von der ersten Begegnung 1959 in Deutschland, wo der „King“ seinen Militärdienst leistet und der Stiefvater der 14-jährigen Priscilla Offizier in der US-Basis ist, über den Einzug des Teenagers in Graceland und die Hochzeit bis zur Trennung 1973 spannt Coppola den Bogen.
Mit viel Fingerspitzengefühl fängt die US-Regisseurin, unterstützt von der bei den Filmfestspielen von Venedig als beste Darstellerin ausgezeichneten Cailee Spaeny, die anfängliche Unsicherheit des Mädchens ein, das durch die Begegnungen mit Elvis, der von Jacob Elordi ebenfalls mit viel Feingefühl gespielt wird, langsam sicherer und befreiter auftritt. Das Glück scheint vollkommen, als die noch Minderjährige ohne ihre Eltern zu Elvis nach Graceland übersiedeln darf. Doch das vermeintliche Paradies entpuppt sich zunehmend als goldener Käfig. 
Wie geschaffen war dieser Stoff für Coppola. Auf Basis von Priscilla Presleys und Sandra Harmons 1985 erschienener Biographie „Elvis and Me“ konnte sie hier nach „The Beguiled – Die Verführten“ ein weiteres Mal vom Coming of Age und Erwachen eines Teenagers erzählen und wie in „Marie Antoinette“ konnte sie wieder auf eine junge Frau fokussieren, die zwar in materiellem Überfluss lebt, aber in ihrem abgeschlossenen Lebensraum keine Erfüllung, sondern Langeweile und Einsamkeit findet.
Mit detailreicher Ausstattung, mit Frisuren und Kostümen wird dabei nicht nur die Zeitstimmung beschworen, sondern auch spürbar, wie das Materielle die Menschen bestimmt. Auch die sanften Pastellfarben verstärken das Bild einer äußerlich sorgenfreien, heilen Welt, hinter der freilich zunehmend die Unfreiheit Priscillas sichtbar wird.
Skino Schaan: Fr 19.1., 18 Uhr; So 21.1., 20.15 Uhr; Di 23.1., 20.15 Uhr

Weitere Filmkritiken, Streamingtipps, DVD-Besprechungen und Regisseur-Porträts finden Sie auf meiner Website https://www.film-netz.com.

Teilen: Facebook · E-Mail