Aktuell in den Filmclubs (15.11. – 21.11.2024) Walter Gasperi · Nov 2024 · Film
Der Spielboden Dornbirn zeigt diese Woche und die Kinothek Lustenau die kommende Woche das mit Jessica Chastain und Peter Sarsgaard großartig besetzte Alzheimer- und Trauma-Drama „Memory“. Beim FKC Dornbirn folgt dagegen Kurdwin Ayub im Spielfilm „Mond“ einer ehemaligen österreichischen Kampfsportlerin nach Jordanien, wo sie die Töchter einer Oberschicht-Familie trainieren soll.
Memory: Während die Mittvierzigerin Sylvia (Jessica Chastain) traumatische Kindheitserlebnisse nicht vergessen kann, vergisst der an Demenz leidende Saul (Peter Sarsgaard) zunehmend Dinge: Ist dennoch eine Beziehung möglich?
Arg kitschig könnte „Memory“ sein, doch Michel Franco inszeniert mit meisterlicher Zurückhaltung. Statt mit Großaufnahmen und schnellen Schnitten Emotionen zu schüren, verharrt die Kamera von Yves Cape meist in statischen Halbtotalen und fängt ruhig die langen Gespräche ein. Aber auch der Verzicht auf extradiegetische Filmmusik und die Licht- und Farbdramaturgie arbeiten einer Emotionalisierung entgegen.
In der Konzentration auf die beiden Familien und getragen von den beiden famosen Hauptdarsteller:innen Jessica Chastain und Peter Sarsgaard lotet Franco intensiv die Charaktere und ihre Beziehungen aus. Eindringlich vermittelt Jessica Chastain, wie die 30 Jahre zurückliegenden kindlichen Erfahrungen ihr heutiges Verhalten prägen, wie sich die Angst in ihr eingenistet hat und wie sie in Sorge um ihre Tochter dieser fast jeden Freiraum verweigert.
Bestechend ist auch die Auslotung des Umgangs der Familien mit diesen angeschlagenen Angehörigen. Während Sauls Bruder versucht, ihn von der Umwelt abzuschotten, und ihn entmündigt, verdrängen Sylvias Schwester und Mutter lieber die Vergangenheit als sie zu thematisieren.
Echte Empathie bringt den beiden Protagonist:innen gegenüber mit Sauls Nichte und Sylvias Tochter nur die nächste Generation auf. Sie sorgen sich um das Wohl von Onkel und Mutter und werden auch aktiv. Da mag das Schlussbild auch nur eine Momentaufnahme oder ein Wunschtraum sein, so verbreitet „Memory“ im Gegensatz zu den bisherigen Filmen Francos doch ein bisschen Hoffnung auf eine positive Zukunft.
Spielboden Dornbirn: Sa 16.11 + Do 21.11., 19.30 Uhr
Kinothek extra in der Kinothek Lustenau: Mo 25.11, 18 Uhr + Mi 4.12., 20 Uhr
Mond: Mit der Karriere als Mixed Martial-Arts-Kämpferin ist es für die von der Choreografin und Performance-Künstlerin Florentina Holzinger gespielte Sara schon in der ersten Szene mit einer Niederlage vorbei. Als Trainerin versucht sie einen Neustart, doch mit den zimperlichen Wiener Teenagern kann sie wenig anfangen und nimmt so bald die Einladung eines Jordaniers an, im Nahen Osten dessen drei Schwestern zu trainieren.
So knapp und prägnant dieser Einstieg inszeniert ist, so stringent und geradlinig entwickelt die kurdisch-österreichische Regisseurin Kurdwin Ayub die Handlung ihres ganzen Films. Ganz aus der Perspektive ihrer Protagonistin erzählt Ayub. In jeder Szene ist sie präsent und auf ihrem Wissensstand sind die Zuschauer:innen stets. So taucht man auch mit ihr in die Verhältnisse in Jordanien ein, erfährt hautnah ihr Gefühl der Fremdheit, wenn sie allein an der Hotelbar sitzt oder von einem Chauffeur wortlos zum palastartigen Haus der Familie, deren Töchter sie unterrichten soll, gefahren wird.
Während die Eltern scheinbar immer abwesend sind, regelt der Sohn des Hauses alles, gibt der Österreicherin auch gleich vor, dass nichts, was sie im Haus sieht oder hört nach außen dringen darf. Wenig Interesse zeigen die drei jungen Frauen dagegen am Kampftraining, chillen lieber, kümmern sich um ihr Make-up oder widmen sich Soap-Operas im TV.
Ein sukzessive dichteres Bild von einem Leben in einem Goldenen Käfig wird so gezeichnet, doch langsam entwickelt sich auch eine Beziehung zwischen Sara und den drei Schwestern und von der Zuschauerin entwickelt sie sich zur Akteurin, als sie um Hilfe gebeten wird.
Nachdem Ayub in ihrem Langfilmdebüt „Sonne“ mit viel Handykamera-Bildern und eingeschnittenen Chat-Nachrichten von der Selbstermächtigung einer jungen Wiener Muslima erzählte, ist die Erzählweise hier klassischer. Große Spannung und Dichte entwickelt sie durch die konsequente und prägnante Handlungsentwicklung, bietet andererseits aber auch kaum neue und tiefgreifendere Einsichten.
FKC Dornbirn im Cinema Dornbirn: Mi 20.11, 18 Uhr + Do 21.11., 19.30 Uhr
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