Aktuell in den Filmclubs (12.1. – 18.1. 2024) Walter Gasperi · Jän 2024 · Film

Der Spielboden Dornbirn zeigt nochmals Corinna Belz‘ ebenso kurzweiligen wie informativen Dokumentarfilm „Thomas Schütte – Ich bin nicht allein“. Beim Filmforum Bregenz steht dagegen diese Woche – und nächste Woche beim FKC Dornbirn – Ken Loachs neues und wohl letztes Sozialdrama „The Old Oak“ auf dem Programm.

Thomas Schütte – Ich bin nicht allein: Corinna Belz zeichnet in ihrem Dokumentarfilm nicht das Leben des 1954 geborenen deutschen Bildhauers und Zeichners Thomas Schütte nach, sondern fokussiert vielmehr auf dem künstlerischen Schaffensprozess. Ausgehend vom Fund eines vergessenen kleinen Bronze-Rohlings in der Düsseldorfer Gießerei Kayser nimmt Schütte die Arbeit an diesem Objekt wieder auf. Detailliert und geduldig zeigt Belz die vielfältigen Arbeitsprozesse von der Reinigung der Miniatur mit einem Sandstrahler über die Formung einer Wachskopie bis zur Fertigung einer überlebensgroßen Gipsstatue und schließlich dem Guss der Bronzestatue.
Immer wieder wird modelliert, zersägt oder zusammengefügt, bemalt oder gefeilt, ausgebessert und schließlich in Bronze gegossen und die einzelnen Teile verschweißt. Eindrücklich vermittelt Belz, die Schütte für diesen Film fast zweieinhalb Jahre mit einem kleinen Team begleitete, welche zentrale Rolle die Arbeit mit den Händen im künstlerischen Schaffen spielt, aber auch die Bedeutung der Mitarbeiter:innen wird sichtbar.
Neben dem Künstler selbst kommen auch diese sowie ein Galerist und Kurator:innen zu Wort, die immer wieder betonen, wie überlegt Schütte arbeite und die auf die zentrale Bedeutung des Menschen, vor allem des Kopfes in seinem Schaffen, hinweisen. Sichtbar wird das auch, wenn andere Kunstwerke kurz angeschnitten werden, wie „Der Mann im Matsch“, mit dem Schüttes Karriere begann, und dem weitere Werke, die sich zu einer Serie fügten, folgten.
Wenig erfährt man so über das Leben Schüttes, dafür umso mehr über seine Arbeitsweise, denn mit geduldigem Blick folgt Belz ihm, lässt ihm und den einzelnen Arbeitsprozessen Raum und intensiviert die Szenen auch mit der ebenso zurückhaltenden wie treffenden Filmmusik des Duos Christoph M. Kaiser und Julian Maas. So fügt sich „Thomas Schütte – Ich bin nicht allein“ durch den runden und überlegten Aufbau, sowie durch die flüssige Montage von Rudi Heinen zu einem ebenso kurzweiligen wie aufschlussreichen Einblick ins künstlerische Schaffen, hinter dem freilich auch wieder eine sehr strukturierte, mit Präzision und Ausdauer arbeitende Persönlichkeit sichtbar wird.
Spielboden Dornbirn: Fr 12.1., 19.30 Uhr

The Old Oak: Während in einer heruntergekommenen nordenglischen Bergarbeiterstadt die alteingesessene Bevölkerung 2016 auf eintreffende syrische Flüchtlinge großteils abweisend reagiert, setzt der Pub-Besitzer auf Solidarität und Toleranz.
Gewohnt knapp, aber prägnant vermitteln Ken Loach und sein langjähriger Drehbuchautor Paul Laverty den sozioökonomischen Hintergrund. Vom großen Bergarbeiterstreik 1984 und den damaligen Gemeinschaftsküchen, von denen Fotos und die Bildunterschrift „Wer zusammen isst, hält zusammen“ im Hinterzimmer des Pubs zeugen, schlägt Loach den Bogen zur heutigen Flüchtlingssituation. Denn er lässt die junge Syrerin Yara in diesem leerstehenden Raum mit migrantischen und einheimischen Helfer:innen einen Speisesaal nicht nur für Flüchtlinge, sondern auch für in prekären Verhältnissen lebende einheimische Kinder und Jugendliche einrichten.
Die Flüchtlinge mögen zwar die schwächsten sein, aber Loach zeigt, dass auch die Bevölkerung der Kleinstadt zu den Abgehängten der Gesellschaft zählt. Gleichwohl regt sich deren Ärger und Eifersucht, wenn sie sehen, wie den Kindern der Syrer:innen gebrauchte Fahrräder und Kleidung geschenkt werden, sie selbst sich aber kein Fahrrad leisten können. Implizit fragt Loach hier, wie dies in einem reichen Land wie England möglich ist und propagiert die Solidarität dieser Schwachen.
Zu viel packt der 87-jährige britische Sozialrealist in dieses Alterswerk allerdings hinein, gezwungen wirken teils die Verknüpfungen. Kräftig drückt er auch auf die Tränendrüse mit dem vom Leben gebeutelten Pub-Besitzer und märchenhaft wirkt auch das Ende. – Doch dessen ist sich Loach wohl durchaus bewusst, will Hoffnung machen und den Glauben an die Kraft der Solidarität schüren, auch wenn er selbst wohl kaum glaubt, dass die gesellschaftlichen Spannungen so leicht überwunden und harmonische Koexistenz so bruchlos erreicht werden können, wie er es hier zeigt.
Filmforum Bregenz im Metrokino Bregenz: Do 18.1., 20 Uhr
FKC Dornbirn im Cinema Dornbirn: Mi 24.1., 18 Uhr; Do 25.1., 19.30 Uhr
LeinwandLounge in der Remise Bludenz: Mi 20.3., 19 Uhr


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