Air: der große Wurf
„Air“ – drei Buchstaben und ein Blick hinter die Kulissen eines Milliardendeals im Sportgeschäft: Wie es gelang, Michael Jordan Anfang der 1980er-Jahre zu Nike zu transferieren. Das ist kurzweilig erzählt, konzeptuell aber nicht überzeugend.
Gunnar Landsgesell · Apr 2023 · Film

Er gilt vielen als der beste Basketball-Spieler aller Zeiten, Michael „Air“ Jordan. Auch wenn das Fans von Magic Johnson oder LeBron James anders sehen. Trotzdem ist „Air: der große Wurf“ kein Film über Michael Jordan – er kommt kurioserweise bis auf ein paar schattenhafte Rückenansichten gar nicht vor. Der Fokus liegt vielmehr auf einer erfolgreichen Marketinganwerbung, wie es gelang, das aufstrebende Supertalent, bzw. dessen Eltern zu überzeugen, von adidas zu Nike zu wechseln. Als treibende Kraft identifiziert das Drehbuch von Alex Convery den Nike-Mitarbeiter Sonny Vaccaro, den Matt Damon als nicht mehr ganz fitten, innerlich ruhelosen Spieler-Scout und Marketingexperten verkörpert. Man sieht, wie Vaccaro geradezu obsessiv ein VHS-Tape nach dem nächsten abarbeitet, um den entscheidenden Hinweis zu bekommen, dass man mit Jordan wirklich auf den Superstar von morgen setzt. Schließlich legt Vaccaro als der eigentliche „Star“ dieses Films alles in die Waagschale, um Konzern-Chef Phil Knight (Ben Affleck, auch Regie) und danach auch Jordans Eltern zu überzeugen. Dabei riskiert er fast seinen Job.

„Air“: Nicht die ganze Geschichte

Die Entscheidung, Michael Jordan aus dem Film auszusparen, könnte man ebenfalls als Risiko bezeichnen. Sie lässt vermuten, dass Affleck und Damon überzeugt waren, dass der Deal von damals so gewichtig ist, dass man den Ausfall des Stars dieser Geschichte kompensieren kann. Tatsächlich entwarf Nike damals nicht nur einen eigenen Schuh für Jordan, sondern beteiligte ihn (bis heute) auch finanziell an den Gewinnen. Das ist spektakulär, aber irgendwie gelingt es „Air“ dennoch nicht, abzuheben. Dem Film fehlt das affektive und dramatische Zentrum, er wirkt wie um eine symbolische Leerstelle herumgebaut. Affleck und Damon selbst wirken erstaunlich lasch, obwohl ihre Figuren doch volles Risiko gehen. Erst mit dem Auftritt der Eltern Jordans in der Konzernzentrale findet der solide und unterhaltsam erzählte Film einen Moment filmischer Wahrheit. Weil Deloris Jordan (fabelhaft: Viola Davis) und ihr Mann kühl bleiben, während die Nike-Crew ihre finanziellen Grenzen erreicht, startet Vaccaro in einem Anfall von Verzweiflung eine spontane Rede. Der Schuh, den man extra für Michael entworfen habe, den brauche dieser eigentlich nicht. Vielmehr wäre es die Nike-Crew selbst, die Jordan brauche (und vielleicht die Welt). Denn alle hier am Verhandlungstisch würden schon lange vergessen sein, nur einer nicht: Michael Jordan selbst. In diesem Moment legt der Film offen, dass auch gut geschmierte Marketingmaschinen zeitweise außergewöhnlichen persönlichen Einsatz brauchen. Unabhängig davon hält diese Szene – freiwillig oder nicht – aber auch einen Grund bereit, warum es diesen Film überhaupt gibt. Vaccaro, Knight und Co wären längst vergessen, mit „Air“ wird ihnen eine Art Würdigung zuteil. Doch dieser Fokus lässt einen etwas unbefriedigt zurück. Ungeklärt bleibt, warum der junge Michael Jordan auf keinen Fall zu Nike wechseln wollte, wie das mehrmals betont wird. Und der kurze, aber nachdrückliche Auftritt von Deloris Jordan deutet eigentlich an, dass spannende soziale Fragen im Drehbuch ausgespart blieben, etwa was viele andere (schwarze) Nachwuchssportler betrifft, die es eben nicht an die Spitze schaffen. Anders als beim Tennis-Biopic „King Richard“, das von der verrückten Überzeugung des Vaters von Venus und Serena Williams erzählt, und eine offene Diskussion über gesellschaftliche Benachteiligung führt, bleibt „Air“ vor allem dem Blick hinter die Kulissen des Nike-Konzerns verschrieben. Auch interessant, aber das ist nicht die ganze Geschichte.

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