Adam Bałdych & Leszek Możdżer: „Passacaglia“ Peter Füssl · Mär 2024 · CD-Tipp

Der sich souverän zwischen Jazz, Klassik, Romantik und zeitgenössischer Musik bewegende Pianist Leszek Możdżer, Jahrgang 1971, zählte bereites zu den absoluten Top-Stars in Polen und wurde auch von seinem um 15 Jahre jüngeren, stilistisch ähnlich gelagerten Landsmann Adam Bałdych bewundert, als der noch als eigenwilliger Student an der Geige den Unmut eingefleischter Klassiker erregte. Mittlerweile hat sich Bałdych längst in die internationale Top-Liga der Jazz-Violinisten gefiedelt, und beide sind eng mit dem renommierten Münchner Jazz-Label ACT verbunden. Kein Wunder also, dass nach mehreren punktuellen Kontaktaufnahmen über die Jahre hinweg nun endlich das erste Duo-Projekt der beiden Ausnahme-Virtuosen vorliegt.

Wobei sich die instrumentaltechnischen Fingerfertigkeiten der beiden Akteure aber niemals verselbständigen, denn mindestens ebenso wichtig ist ihnen bei der Realisierung ihrer über weite Strecken in melodischer Schönheit und klanglicher Wärme schwelgenden Musik eine möglichst große Sound-Vielfalt. So spielt Bałdych neben der Geige auch die Renaissance-Violine und Możdżer – zum Teil simultan – zwei Konzertflügel, die auf 442 bzw. auf 432 Hz gestimmt sind. Letzterer Klavierstimmung wird eine therapeutische Wirkung nachgesagt. „Das Ergebnis war verblüffend. Es war wie Spielen in höherer Auflösung, plötzlich hatte ich 24 Tonschritte in einer Oktave statt 12. Es ist eine Befreiung von den Grenzen des temperierten Tonsystems“, zeigt sich der Pianist begeistert, der zusätzlich noch ein präpariertes Piano zum Einsatz bringt.

Vier der fünfzehn Titel entstanden aus gemeinsamen Improvisationen, etwa das wundervoll melancholische Titelstück „Passacaglia“, das als Opener die Grundfärbung des stimmungsvollen Albums vorgibt. Bałdych steuerte sechs Kompositionen bei, die einerseits die hohe Kunst des musikalischen Dialogs zelebrieren, andererseits den beiden Musikern aber auch als Showcases für ihre kreative Virtuosität dienen. Dabei wird – wie etwa im Stück „Moon“ – oftmals die gefühlvolle Seelenmusik von klanglich außergewöhnlichen, durchaus experimentellen Up-Tempo-Passagen unterbrochen. „December“ und „January“ sind farbenreiche Huldigungen der beiden Wintermonate, „Saltare“ und „Aurora“ flott und einfallsreich dahingepinselte Klanggemälde. Aus der Feder Możdżers stammen das trotz seines Titels durchaus vergnüglich klingende „Polydilemma“ und das von einem eindrucksvoll perlenden Pianolauf eingeleitete „Le Pearl“. Kleine Ausflüge ins Mittelalter (Hildegard von Bingen) und in die Frührenaissance (Josquin des Prez) fügen sich ebenso nahtlos ein, wie Erik Saties melancholisch verträumte, häufig gespielte „Gymnopedie“. In Summe wundervolle zeitgenössische Kammermusik, von zwei echten Hochkarätern einfallsreich und kunstfertig zu expressiven Kleinoden verdichtet. Ein wahres Hörvergüngen!

(ACT)

Dieser Artikel ist bereist in der Print-Ausgabe der KULTUR März 2024 erschienen.

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