Mit dem Symphonieorchester Vorarlberg durch drei Jahrhunderte
Im fünften Abonnementkonzert spannte das SOV einen weiten Bogen durch die Musikgeschichte.
Silvia Thurner · Apr 2023 · Musik

Unter der Leitung des Violinisten Alexander Janiczek erklangen sehr bekannte Kompositionen: Die Bachsuite Nr. 3 aus dem Jahr 1725 sowie Weberns Fünf Sätze op. 5, komponiert 1909, und Beethovens Violinkonzert op. 61, uraufgeführt 1806. Drei unterschiedliche Musizierhaltungen nahmen Bezug darauf; Alexander Janiczek agierte zuerst als Dirigent, dann als Konzertmeister und schließlich als Solist. Insbesondere mit seiner lyrischen Interpretation des Violinkonzerts von Beethoven und seinem edlen Geigenton begeisterte er die Zuhörenden im Bregenzer Festspielhaus. Doch nicht alle Werkdeutungen überzeugten gleichermaßen.

Nach dem Prinzip des „play and conduct“ leitete Alexander Janiczek das Symphonieorchester Vorarlberg erstmals. Bereits 2016 wirkte der aus Salzburg stammende Geiger im Rahmen des Festivals „Texte und Töne“ im ORF Publikumsstudio mit dem SOV zusammen.
Das Konzept, dass ein Musiker vom Konzertmeisterpult oder als Solist ein ganzes Orchester leitet, wird seit einigen Jahren vermehrt gepflegt. Die Idee stammt aus der Zeit der historischen Orchesterpraxis, als das Prinzip eines eigenen Dirigenten noch unbekannt war. Erst mit den größeren Orchesterbesetzungen im 19. Jahrhundert wurde ein dem Orchester zugewandtes Dirigat mit eigenem Pult üblich. Während einige Kammerorchester bevorzugt unter der Leitung von Konzertmeister:innen musizieren, sind es im modernen Konzertbetrieb nicht selten wirtschaftliche Gründe, die diese Musizierhaltung vermehrt ins Rampenlicht rücken.
Für die Orchestermusiker:innen sind die veränderte Spielhaltung, die größere Eigenverantwortung sowie die verstärkte Aufmerksamkeit innerhalb der Stimmgruppen sicher spannend und eine willkommene Abwechslung.
Für die Zuhörenden kann sich jedoch ein zwiespältiges Bild ergeben, so auch beim Konzert im Bregenzer Festspielhaus. In der Interpretation der Bachsuite Nr. 3 (BWV 1068) dirigierte Alexander Janiczek mit der Geige in der Hand und ließ es sich nicht nehmen, markante Einsätze der ersten Violinen, mit schulmeisterlichem Duktus zu unterstützen. Ganz als Solist dem Publikum zugewandt, interpretierte der Violinist Beethovens berühmtes Violinkonzert, und überließ das Orchester weitestgehend sich selbst. In Weberns Fünf Sätze op. 5 musizierte Alexander Janiczek am Konzertmeisterpult in das Kammerorchester integriert, sodass ein überzeugendes Zusammenwirken entstand.

Schön musizierter Solopart in eher zurückhaltender Kommunikation

Beethovens Violinkonzert ist ein Werk, das unmittelbar anspricht, unter anderem durch die eingängigen Themen, dem geheimnisvoll pochenenden, immer wiederkehrenden Motiv, einem anspruchsvollen und poesievollen Solopart, den kammermusikalischen Dialogen mit den Holzbläsern sowie einem naturhaften Grundcharakter. Alexander Janiczek betonte als Solist all diese Grundeigenschaften mit beeindruckender Tiefe. Die weiträumige Kadenz im ersten Satz begann intonatorisch zwar etwas unsicher, doch dann entfalteten sich der musikalische Fluss wirkungsvoll. Die Dialoge mit den Holzbläser:innen begeisterten im Larghetto und im Finalsatz kam der warme Klangcharakter der Geige schön zur Geltung.
Zurückhaltend agierte das SOV, ganz dem Solisten Raum gebend. Dies ergab ein Hörerlebnis, das im Allgemeinen der Vormachtstellung des Soloparts entsprach, diente aber weniger einem lebendigen Austausch zwischen dem Soloinstrument und dem Orchesterpart, wie es Beethovens Violinkonzert eigentlich beinhalten würde.

Gemeinsames Gestalten bei Webern

Am überzeugendsten war das Zusammenwirkung von Alexander Janiczek und den SOV-Musiker:innen in Weberns Fünf Sätze op. 5. Die klangsinnlichen Miniaturen kamen hoch konzentriert und feinsinnig zur Geltung. Vor allem die Zwiesprache zwischen der Bratsche und dem Violoncello in Verbindung mit den Violinen im zweiten Satz blieben in Erinnerung. Hervorragend gelang auch die auskomponierte „Energieentladung“ im dritten Teil des Werkes. In Streichorchesterbesetzung eine Kongruenz zu finden, stellte eine große Herausforderung dar, die die Musiker:innen gut bewältigten.
Bachs Suite Nr. 3 (BWV 1068) musizierte das Symphonieorchester Vorarlberg stehend, wohl um (historisch informiert) die Lebendigkeit der Tanzsätze zu verdeutlichen. Nicht von Beginn an spielten alle in einem gemeinsamen Duktus, doch ab dem kontrapunktischen Abschnitt der Ouvertüre fanden sich die Musiker:innen. Von den tiefen Streichern ging in der allseits bekannten Air eine innere Ruhe aus, die sich alsbald auch in den höheren Registern einstellte. Freudvoll gestaltet erklangen die Gavotte, Bourrée und die Gigue.  

https://www.sov.at/

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