Fouad Boussouf mit einer österreichischen Erstaufführung des Stückes „Fêu“ zu Gast beim „Bregenzer Frühling“ (Foto: Antoine Friboulet)
Annette Raschner · 14. Jän 2022 · Theater

Zimmerstück mit zwei Frauen

Zum Saisonauftakt des Theater Kosmos ist ein Stück uraufgeführt worden, das pandemiebedingt gleich mehrmals verschoben werden musste: „Limbus“ von Florentina Hofbauer. Die junge, aktuell in den USA lebende Autorin und Literaturwissenschaftlerin hat damit 2019 den ersten Kosmodrom-Stückewettbewerb „Wer Gewalt sät“ anlässlich einer Informationskampagne des Landes zum Thema „Gewaltverbot in der Erziehung“ gewinnen können. Hofbauer lässt darin zwei Frauen aufeinandertreffen, die sich im realen Leben kaum begegnen hätten können: Swetlana Allilujewa, die Tochter des sowjetischen Diktators Josef Stalin und Nelly Kröger Mann, einstige Ehefrau des Schriftstellers Heinrich Mann.

Eine Kommunistin war ich, sagt Nelly zu Swetlana, die zusammenzuckend antwortet: Oh Gott. Jetzt bin ich im Bilde.
Swetlana Allilujewa wohnt alt, vergrämt und verarmt in einer US-amerikanischen Kleinstwohnung, wo sie eines Tages von Nelly aufgesucht wird. Wie sind Sie hergekommen? Die Geschichte ist lang … dann machen Sie sie kurz
Die beiden Frauen könnten unterschiedlicher gar nicht sein. Swetlana ist misanthropisch und intellektuell; Nelly hingegen naiv, direkt und sehr offen – trotz ihres schwierigen Lebens. Vor den Nazis war sie zunächst nach Frankreich geflohen. Als aber die Nordhälfte des Landes von der deutschen Wehrmacht besetzt wurde, brachen sie und ihr Mann zur Flucht über die Pyrenäen auf. Heinrich Mann war bereits 69 Jahre alt und musste von Nelly gestützt, teilweise sogar getragen werden. Vor den Nazis zu flüchten, ist prinzipiell eine gute Richtung, lässt Florentina Hofbauer Swetlana (Johanna Tomek) zu Nelly (Nicola Trub) sagen. Und weiter: Ich weiß auch, was flüchten ist. Swetlana Allilujewa war vor dem Kommunismus geflohen, seit 1967 lebte sie in den USA im Exil und verfasste autobiografische Bücher, die zu Bestsellern wurden, aber in der Sowjetunion verboten waren.

Unterschiede und Gemeinsamkeiten

Läuft das erste Kennenlernen der zwei Frauen in „Limbus“ noch stark unterkühlt ab (Swetlana „begrüßt“ Nelly mit einer Pistole in der Hand), entwickeln sie mit zunehmendem Verlauf und höher werdendem Alkoholisierungsgrad Verständnis füreinander. Beide mussten fliehen, beide litten Zeit ihres Lebens unter den zentralen Männern ihres Daseins, und beide waren mehrfach verheiratet. Swetlana Allilujewa sogar vier Mal. Darauf trink ich, auf die Männer, die was bringen! Mir scheint, da gibt es wenig, worauf man trinken kann.

Modern und viel Humor

Mit leichter Hand und viel Humor erzählt Florentina Hofbauer zwei schicksalsschwere Frauenbiografien. Regisseur Hubert Dragaschnig schwärmt vom Talent der jungen Dramatikerin, die ganz offensichtlich „eine Theaterpranke“ habe. Während der Proben sei ihm aufgefallen, wie modern die zwei Frauen seien und wie viel Menschenfreundlichkeit aus dem Text spreche.
Florentina Hofbauer ist zweifelsohne eine Entdeckung, und es bleibt zu wünschen, dass auf das Stück weitere folgen mögen. Dennoch offenbart der Text auch Schwächen. Es fehlt der packende Zugriff, eine stärkere dramaturgische Zuspitzung, sodass im Laufe des an sich kurzweiligen Theaterabends die Spannung nicht zunimmt, sondern eher nachlässt. Auch die beiden Schauspielerinnen Johanna Tomek und Nicola Trub überzeugen nicht vollends. Dazu mangelt es an Tempo, das für diesen Theatertext so notwendig gewesen wäre. Das originelle Ping-Pong-Spiel zwischen den beiden gerät durch unnötige Pausen immer wieder ins Stocken. Schade drum!
Dafür überzeugen Ausstattung (Caro Stark) und Musik (Herwig Hammerl). Caro Stark hat das Zimmer von Swetlana mit pinkem Plüsch ausgekleidet und die Bühne mit unzähligen Tisch- und Stehlampen übersät. Sie werden sukzessive ausgeschaltet (was auch im Stück so vorgesehen ist). Die Intimität zwischen den Frauen wächst, und die Öffentlichkeit tritt langsam zurück; schließlich geht es um echte Bekenntnisse am Ende eines langen Lebens.

weitere Vorstellungen
15.1., 21.1., 22.1., 28.1., 29.1., 4.2., 5.2. jeweils 20.00 Uhr
23.1., 30.1. jeweils 17.00 Uhr

Theater Kosmos, Bregenz
www.theaterkosmos.at