Die Theatergruppe "dieheroldfliri.at" zeigt derzeit ihr neues Stück "Das Rote vom Ei" (Foto: Mark Mosman)
Dagmar Ullmann-Bautz · 09. Jun 2017 · Theater

Wahrhaftige und großartige Auseinandersetzung – das aktionstheater ensemble mit der Uraufführung von „Ich glaube“

Ein emotionales Feuerwerk erlebte das Publikum bei der Premiere des aktionstheater ensembles im shed8 in Bregenz. Im Rahmen des Bregenzer Frühlings präsentierten Martin Gruber und sein Team einmal mehr einen aufwühlenden, einen diskussionsanregenden, spannenden, berührenden und auch unterhaltsamen Theaterabend. Martin Gruber stellte ein Ensemble zusammen, das unterschiedlicher nicht sein kann und doch zusammen ein kompaktes, ein einzigartiges Ganzes bildet.

Das dokumentarische Theater des aktionstheater ensembles verblüfft immer wieder, fragt man nach dem Grund, so ist dieser schnell gefunden. Es ist Martin Gruber mit seiner unvergleichlichen klaren Sicht auf die Dinge sowie seinem unglaublichen Gespür für Themen und Situationen, die am Anfang einer jeden Produktion des aktionstheaters stehen, gleichermaßen Basis und Fundament. Ständig sind Grubers Antennen ausgefahren, seine Augen und Ohren offen, wenn es darum geht, gesellschaftsrelevante Themen zu finden, großartig ist sein Talent, die gesammelten Inputs in Text und Spiel zu verwandeln.

Berühren und schockieren

„Ich glaube“ ist der Titel des neusten Stückes, und was könnte zur Zeit aktueller, was kontroversieller sein, als eine umfassende Auseinandersetzung mit Glauben und Religion. Auf seine unnachahmliche Art hat Gruber sich gemeinsam mit dem Dramaturgen Martin Ojster, den Musikern, den Schauspielerinnen und Schauspielern diesem Thema gewidmet, sich mit ihm auseinandergesetzt, ja, sich ihm geradezu ausgesetzt. So ist es ihnen gelungen, Klischees großartig zu umschiffen, auf einem schmalen Grat zu wandern und das Publikum mit auf eine emotionale Reise zu nehmen, es ganz massiv zu berühren, zu schockieren, ihm den Atem stocken zu lassen, um dann wieder herrlich komisch zu sein. Das aktionstheater ensemble trifft mit „Ich glaube“ den Nerv der Zeit ganz exakt und schenkt dem interessierten Publikum ein Stück, das nicht nur für einen Abend, sondern nachhaltig anregt und wirkt.

Sehnsucht nach Liebe

Sein Gespür für die ideale Besetzung hat Gruber auch diesmal wieder absolut gewinnbringend eingesetzt. Die Ensemblemitglieder kommen aus ganz verschiedenen Konfessionen und Glaubens- bzw. „Nichtglaubens“-Richtungen. Und so unterschiedlich sie in ihren Wesen und in ihrer Religiosität, ihrem Glauben oder Nichtglauben sind, so sehr eint sie die Sehnsucht nach Liebe.

Phantastisches Ensemble

Die wunderbare Susanne Brandt, die Protestantin, spielt auf ihrer Klaviatur, berührt und ist so umwerfend komisch. Der absolute Burner, und natürlich auch der Angriffspunkt schlechthin, Alev Irmak, die Muslima! Sie spielt mit einer so unglaublichen Präsenz und Strahlkraft, dass ihr nicht zu entkommen ist! Claudia Kottal ist packend und überzeugend in ihrer Wut und in der Ablehnung ihrer polnischen, konservativ-katholischen Wurzeln. Ebenfalls laut und berstend, ganz ausgezeichnet, temporeich und rhythmisch, der Atheist, Martin Hemmer. Und als wunderbarer Gegenpart, ebenfalls Atheist, der sanfte Benjamin Vanyek, der Schlager liebt, eine bezaubernde Primaballerina, die ständig Aufmerksamkeit auf sich zieht, ohne dabei laut zu sein.

Musikalische Kreativität

Die musikalischen Arrangements von Kristian Musser sind sprichwörtlich genial. Liebesschnulzen so grandios zu interpretieren, dazu braucht es musikalische Kreativität und natürlich SchauspielerInnen, die das auch singen können. Man könnte geradezu zum Schnulzenfan mutieren! Musser wird unterstützt von zwei großartigen Streichern, Kirill Goncharov an der Geige und Jean Philipp Viol an der Bratsche.

Großer Applaus

Dass an diesem Projekt lange und hart gearbeitet wurde, dass alle Mitwirkenden alles gegeben haben, mit Überzeugung und hundertprozentig dabei waren, dass Gruber ganz genau hingeschaut hat und ganz genau wusste oder einfach spürte, was geht und was nicht, das merkt man in jeder einzelnen Minute. Und somit gipfelten siebzig Minuten atemloses und gespanntes Zusehen in einem großen Jubelsturm des Publikums.