Tobias Grabher, die Camerata Musica Reno und Michael Köhlmeier bescherten dem Publikum ein „österliches Cineastenfest“.
Peter Füssl · 06. Mär 2009 · Theater

Vergnüglicher Ausflug in die Welt der Mörder, Gauner und Huren

Das projekttheater feiert mit einer äußerst gelungenen Adaption von John Gays „Beggar’s Opera“ lustvoll den 20. Geburtstag.

 

Der moralische Zeigefinger, der in Bert Brechts „Dreigroschenoper“ immer wieder erhoben wird, fehlt in John Gay’s „Beggar’s Opera“ aus dem Jahre 1728 weitestgehend – in der Bearbeitung durch das projekttheater-Team mutiert er höchstens mal zum gestreckten Mittelfinger. Denn hier feiern anarchische Spiellust, intelligente Regiearbeit und überschäumende Kreativität einen lustigen Dreier, an dem sich das Publikum rund eineinhalb kurzweilige Stunden lang delektieren kann.

Jede/r gegen jede/n – fies und witzig zugleich

Alles spielt sich auf, in und rund um einen gigantischen Altkleiderhaufen ab, der sich als multifunktionales Bühnenelement erweist und witzige Auf- und Abgänge ermöglicht. Hier residiert der brutale Gaunerkönig Peachum, von Peter Badstübner herrlich widerlich zum Leben erweckt, mit seiner unterwürfigen, aber ebenfalls nicht eben zartbesaiteten Gemahlin, von Margarete Tiesel durchaus vielschichtig angelegt. Nicht nur Peachums stotternder Unterläufel Filch, gespielt von Martin Horn, sondern einfach jede und jeder kämpft rund um die Uhr ums Überleben. Denn es ist eine Welt des Verbrechens und der Korruption – die besseren Karten hat, wer auf jegliche Moral pfeift und möglichst skrupellos andere an den Galgen bringt, um selbst den Profit einzustreichen oder den eigenen Kopf zu retten.

Dieses grausame Spiel ist oftmals ein höchst vergnügliches. Etwa wenn Maria Hofstätter und Martina Spitzer als geniales Bühnenduo die Prostituierten Molly und Betty mit viel komödiantischem Talent über die Widerwärtigkeiten des Lebens räsonieren lassen. Hier kann zumindest anflugartig mal etwas wie Mitgefühl oder Zuneigung auftauchen, auch wenn es letztlich in dieser Welt nur um den schnöden Mammon geht.

Aber nicht einmal in diesem von Angst und Gewalt diktierten Drecksleben geht es ganz ohne Liebe und Eifersucht. So wird der als Messerstecher bekannte Edelgangster Macheath, von Sebastian Pass mit dem stoischen Gesichtsausdruck eines Buster Keaton „ultracool“ auf die Bühne gebracht, gleich von zwei Frauen umworben. Von Peachums Prostituierten-Töchterchen Polly, die als einzige überhaupt liebesfähig erscheint, und von der hintertriebenen Lucy, der Nadja Brachvogel trotz oder gerade wegen des biederen Schulmädchen-Looks eine geradezu diabolische Bösartigkeit verleiht. Erstere wird vom smarten Pokerface Machheath geehelicht, letztere auf höchst bildhaft-anschauliche Art geschwängert. Aus dieser unglücklichen Dreiecksbeziehung entwickelt sich letztlich dann der Showdown des Stückes, an dem auch Lucys Vater, der Gefängnischef Lockit, von Dietmar Nigsch als aalglatter und korrupter Fiesling auf die Bühne gestellt, nicht unmaßgeblichen Anteil hat.

Keine Oper ohne Musik

Aber was wäre eine Oper ohne Musik? Der Komponist und Musiker Gerhard Gruber hat einen furiosen Soundtrack zu dieser Inszenierung geschrieben und versteht es, mit minimalen Mitteln Atmosphäre zu schaffen und dramatische Verdichtungen voranzutreiben. Seine reichhaltigen Erfahrungen mit Bühnenmusik und als Livemusiker zu Stummfilmen machen sich vielfach positiv bemerkbar – wunderbar, mit welchem Einfühlungsvermögen er auf die SchauspielerInnen einzugehen vermag. Und es gibt natürlich keinen ernsthaften Operngesang zu hören, aber auch keine Parodie auf die Oper. Dafür immer wieder Lied- oder Meldodienfragmente, die Atmosphärisches beitragen und in ihrer stilisierten Form auf vergnügliche Weise daran erinnern, dass das Stück nicht ganz zufällig „Bettleroper“ heißt. 

Ausgeklügelt schlampige Präzision

Susanne Lietzow hält amüsante Überraschungen bereit und bietet den slangmäßig radebrechenden Protagonisten genügend Spielraum zur komödiantischen Entfaltung, sorgt aber letztlich für eine wohltuend stringente Handlungsführung. Dass zum 20 Jahre-Jubiläum nochmals all jene auf und hinter die Bühne geholt wurden, die mit der Geschichte des projekttheaters über die Jahre hinweg eng verbunden sind, macht sich durchaus positiv bemerkbar – so etwas wie ein positiver Teamgeist liegt in der Luft.

Nie zuvor gab es einen gleichermaßen funktionstüchtigen wie opulenten Kleiderhaufen zu sehen, der mit den teils nuttig-frivolen, phantasievoll kreierten Kostümen zu einer atmosphärisch dichten Einheit verschmolz – Marie Luise Lichtenthal besorgte hier ein Meisterstück in ausgeklügelt schlampiger Präzision.

Ohnehin klar, dass sich dieser bitterböse Seitenhieb Gays auf das englische Großbürgertum seiner Zeit ohne große geistige Verrenkungen auch auf unsere Gegenwart übertragen lässt – deshalb hat das projekttheater-Team dankenswerterweise wohl auch auf jegliche künstlich aufgesetzten Transformationsversuch in die Jetztzeit verzichtet. Peter Füßl

Weitere Aufführungen:

7./9./11.-14./16./18./19. März

jeweils 20 Uhr

Altes Hallenbad Feldkirch

www.projekttheater.at

 

Empfehlung: Artikel von Dagmar Ullmann-Bautz in der aktuellen Ausgabe der KULTUR-Zeitschrift vom März 2009!