Das Wiener Burgtheater war mit Molières „Der Menschenfeind“ unter der Regie von Martin Kušej im Bregenzer Festspielhaus zu Gast ( Foto: Matthias Horn))
Dagmar Ullmann-Bautz · 22. Nov 2014 · Theater

Unheilvolles Spiel mit Tiefgang und Humor - "Der Weibsteufel" am Vorarlberger Landestheater

Für Verwirrung und reichlich Diskussionsstoff nach der Aufführung sorgte der junge Regisseur Simon Windisch mit seiner Inszenierung des Dramas von Karl Schönherr "Der Weibsteufel" am Vorarlberger Landestheater. Gestern war Premiere – eine Premiere, die, am Hause eher eine Seltenheit, mit einigen Buhrufen degoutiert wurde.

Karl Schönherr, 1867 in Tirol geboren, lebte und arbeitete bis zu seinem Tod 1943 in Wien. In der Metropole schrieb er seine bis heute vielgespielten Stücke, die zumeist im ländlichen Raum, in den Bergen und Tälern seiner Heimat spielen. So auch "Der Weibsteufel", eine Dreiecksgeschichte um Liebe und Leidenschaft, Macht und Verführung, die 1914 entstand.

Unheilvolles Spiel


Ein kränklicher Mann, der von der Schmuggelei lebt und seit sechs Jahren mit einer überaus attraktiven Frau verheiratet ist, erfährt, dass ein neuer Grenzjäger auf ihn angesetzt wurde. Er überredet seine Frau dem Widersacher schöne Augen zu machen und ihn somit abzulenken. Damit nimmt das unheilvolle Spiel seinen Lauf, an dessen Ende alle drei Verlierer sind. Der Grenzjäger verliebt sich in die Frau, verliert sich selber dabei und auch sie verstrickt sich in das leidenschaftliche Spiel.

Eigenwilliges Grazer Team


"Der Weibsteufel" gehört zu den meistgespielten Stücken des alpenländischen Raums und sorgt oft für viel Gesprächsstoff, besonders dann wenn ein Leadingteam andere Wege beschreitet, als die vom Autor vorgesehenen. Schließlich geht es auch um Themen, die uns, und zwar jede und jeden betreffen und interessieren, um den Kampf der Geschlechter, um Anziehung und Eros. Das Leadingteam in Bregenz hat einen sehr spannenden, einen martialischen Weg gewählt und bedient sich einer Theatersprache, die man so an einem Landes- oder Stadttheater, zumal in Bregenz, nicht gewohnt ist. Alle drei, Regisseur Simon Windisch, Musiker Robert Lepenik und Ausstatter Bernhard Bauer kommen aus der jungen Grazer Theaterszene, arbeiten dort im TAO Theater am Ortweinplatz, das sich selbst als Zentrum, als Brutstätte für junge Kunst bezeichnet.

Starke eindringliche Musik


Schönherrs Sprache ist poetisch und bodenständig zugleich, sehr komprimiert und dazwischen doch wieder ausschweifend. Regisseur Simon Windisch hat den Rhythmus der Schönherrschen Sprache gut erfasst. Er spielt fast ausufernd damit und wird dabei von der Musik von Robert Lepenik genial unterstützt. Lepenik setzt nur die menschliche Stimme ein und erzeugt damit Stimmungen, denen man als Zuschauer nicht entkommt. Man hat das Gefühl, der Rhythmus und besonders die tiefen Töne kriechen über die Bühne und von dort direkt in den Zuschauerraum.

Symbole über Symbole


Die Ausstattung von Bernhard Bauer stellt eine Herausforderung dar - für die Schauspieler und auch fürs Publikum. Auf einem Berg von verstümmelten, gekippten und gestapelten Möbeln balancieren die Schauspieler, verkriechen sich, thronen darauf und suchen Halt in der anschwellenden Leidenschaft. Noch eine Herausforderung eröffnen die zahllosen, zum Teil ganz offenen, aber auch versteckten Anspielungen, Zitate, Symbole, Interpretationen. Viele, vielleicht zu viele Geschichten, die zum Hängenbleiben und Nachdenken verleiten. Aber nicht nur Möbel, auch ein Gebirgspfad, Tannen und Kröten, viele Kröten, quakend und zappelnd, gehören zum Bühnenbild. Und besonders die „Kröterei“  - das versammelte Krötenvolk mit zentraler Mutterkröte - sorgte offensichtlich für Verwirrung beim Publikum und regte zu zahllosen Diskussionen und Deutungen an. Im Programm ist die wahre Intention des Regisseurs nachzulesen. Die Kröte als in vielen Mythen verankertes Symbol für die Erdmutter in einem Stück, in dem auch die Mutterschaft eine nicht unwesentliche Rolle spielt. Und je tiefer der Sumpf der Geschichte wird, um so mehr Kröten bevölkern die Bühne. Und so wird auch klar, weshalb der Ehemann in einer riesigen Wathose steckt. Das Loch im Bett, das die Frau verschlingt, die Bäume, die aufsteigen um dann herunterzufallen, der sägende Ehemann, Möbel mit doppeltem Boden, alles Symbole die vom Team wohldurchdacht sind, die aber erst in der Auseinandersetzung mit dem Stück in ihrer Tragweite erkennbar und erfassbar sind. Es hat großen Charme, wenn ein Theaterabend auf diese Weise nachwirkt.
So spürt man, dass Dramaturgin Dorothee Bauerle-Willert den Text sehr genau aufbereitet und von allen Seiten beleuchtet hat. Genau wie Arndt Rössler dieses ausufernde, verrückte Bühnenbild von allen Seiten erstrahlen lässt und immer wieder kleine intime Inseln schafft.

Wunderbare Schauspieler/in


Regisseur Windisch lässt seine Protagonisten faktisch gegen den Text handeln, die Figuren verkörpern mit größter Genauigkeit und Intention fast ausschließlich das, was sie denken und fühlen und eben das macht diesen Theaterabend auch so spannend.

Martin Brachvogel ist einfach großartig als Ehemann, er ist einfühlsam und differenziert, mit einer starken Präsenz der großen Schwachheit seiner Figur. Die Entwicklung des jungen Grenzjägers, sein Weg in die Irrnis, der absolute Kontrollverlust und seine Ohnmacht wird überaus eindrücklich von Sébastien Jacobi gespielt. „Weibsteufel“ Marie-Therese Futterknecht lässt dann tief in die Seele dieser von Männern manipulierten, sich aber dann des eigenen Wertes bewusst werdenden Frau, blicken.
Ein Dreierteam, das absolut überzeugt, sich große Anerkennung und Applaus verdient und vom Publikum auch erhält.

Ein Gesamtkunstwerk


Die Inszenierung muss als Gesamtkunstwerk gesehen werden, ein Gesamtkunstwerk, dem im letzten Drittel zwar ein kleinwenig die Luft ausgeht, das aber seine Wirkung nicht verfehlt. Und dass der Theaterabend nicht nur im Drama verhaftet bleibt, sondern auch humorvolle Seiten aufzeigt, diese Leistung ist dem kreativen Leadingteam wirklich zu attestieren.

 

Weitere Vorstellungen: 23/11, 03/12, 04/12, 16/12, 19/12, 27/12
Stückeinführungen: 16/12, 19/12

http://landestheater.org/