Tobias Grabher, die Camerata Musica Reno und Michael Köhlmeier bescherten dem Publikum ein „österliches Cineastenfest“.
Dagmar Ullmann-Bautz · 10. Aug 2012 · Theater

Über das Sezieren der Wurstsemmel

Nur ein einsames Schauspiel präsentieren die Bregenzer Festspiele in diesem Sommer und mit dem haben sie kaum jemandem wirklich Freude gemacht. Das Schauspielhaus Wien gastiert am 9., 10. und 11. August auf der Werkstattbühne des Bregenzer Festspielhauses. Das Stück „Makulatur“ war eine Auftragsarbeit, vergeben vom Schauspielhaus Wien an den Autor und Psychiater Paulus Hochgatterer und feierte seine Uraufführung am 3. Juni 2012. Regisseurin Barbara-David Brüesch hat den Kampf mit dem Text, falls sie einen ausgefochten hat, hochkantig verloren – in keinem Moment wird eine Inszenierungsidee sichtbar. Das kalte und statische Bühnenbild (Damian Hitz) und die wenig einfallsreichen Videoeinspielungen (Jan Zischka) stehen kontraproduktiv daneben.

Tapfere Helden

Viel wurde nach diesem Theaterabend diskutiert – aber nicht um Inhalte und Themen, sondern darum, wer denn diese Misere verbrochen hat – war es der Autor oder die Regisseurin oder vielleicht die Dramaturgin Brigitte Auer? Die Schauspieler können sicher am wenigsten dafür. Sie haben ihren Job bemüht erledigt, haben augenscheinlich gekämpft und verloren und sind, trotz sicht- und hörbarer Schwächen, die tapferen Helden des Abends – Steffen Höld, Katja Jung, Barbara Horvath, Max Mayer, Christoph Rothenbuchner, Franziska Hackl und Nikola Rudle.

Extrawurst und Essiggürkchen

Was letztendlich vom Besuch der Aufführung bleibt sind Erkenntnisse über die Beschaffenheit einer Wurstsemmel österreichischer Machart, dass eben diese unterseitig mit fünf, oben mit vier Rädchen Extrawurst zu belegen sei, dazwischen das Gürkchen, und dass sich die Geister letztlich daran scheiden, ob eine Wurstsemmel nur dann authentisch ist, wenn sie durch die Hand einer Wurstsemmelverkäuferin gegangen ist. Soviel zu den nachhaltigen Glücksmomenten des Abends.

Altbekannte Klischees

Man fragt sich wirklich, ob es gut ist, wenn Psychiater Stücke schreiben. Es entstand der Eindruck, dass hier einfach in einer riesigen stinkenden Mülltonne gegraben wurde. Was dabei auftaucht sind albtraumhaft kranke Figuren, in ihren Charakteren ausgestattet mit verschiedensten, z.T. altbekannten Klischees und Geschichtchen, denen es aber an wahrer Tiefe und Substanz fehlt.

Es tritt der Wurstsemmel essende und verteilende Chirurg Jablonsky auf, dessen Figur fürs erste noch Interesse weckt, dann aber im Nichts zerbröselt. Oder die einarmige Trafikantin, deren belangloses Geschwätz nur Gähnen verursacht. Die Lehrerin, die supergescheit über den Dingen steht und mit ihren Schülern und der eigenen Tochter überhaupt nicht klar kommt, die einfach nur platt wirkt und trivial. So geht der Reigen weiter! Ein Architekt, der nur Keller baut, andeutungsweise seiner Tochter zu nahe kommt, und unter seiner Frau, der Lehrerin, leidet.  Den schmerzhaften Abklatsch eines Komikerduos stellt das Polizistenpaar dar, dem alles andere wichtiger ist, als ihr Job. Die einzige Figur auf der Bühne, die wirkliches Interesse weckt, neugierig macht, ist Kerstin, die Tochter der Lehrerin und des Architekten, die am Ende jedoch ebenso wie alle anderen in der nichtssagenden Brühe versinkt.

Ab und zu taucht ein Satz auf, über den man sich freut, an den man sich als gequälter Zuschauer klammert und auf mehr hofft, und der sich letztlich als gezündeter Blindgänger entpuppt.

Trotz Patzer ein guter Partner

Theater darf wirklich alles, jedoch niemals den Zuschauer langweilen! Genau dies ist dem Schauspielhaus Wien mit „Makulatur“ leider gelungen. Mit einem lange ausbleibendem und nur verhalten gespendeten Applaus des sich im Weiteren rasch verabschiedenden Publikums endete der Theaterabend auf der Werkstattbühne.

Die Bregenzer Festspiele haben dieses Stück gekauft - lange vor der Premiere in Wien. Dass das Schauspielhaus Wien ein guter Partner ist, darf trotz „Makulatur“ nicht bezweifelt werden. Und dass Theater ein Bedürfnis ist, beweisen die ausverkauften Vorstellungen, von denen es, trotz dieses Patzers, in Zukunft unbedingt wieder mehr geben darf.