Das Wiener Burgtheater war mit Molières „Der Menschenfeind“ unter der Regie von Martin Kušej im Bregenzer Festspielhaus zu Gast. (Foto: Matthias Horn)
Annette Raschner · 12. Dez 2017 · Theater

Theater als ein Ort gesellschaftlicher Auseinandersetzung - Stephanie Gräve ist neue Intendantin am Vorarlberger Landestheater

Erstmals in seiner Geschichte wird das Vorarlberger Landestheater künftig von einer Frau geleitet. Die aus Duisburg stammende Dramaturgin Stephanie Gräve wird ab August 2018 neue Intendantin, ab sofort wird sie am Programmentwurf für die kommende Spielsaison arbeiten. Der Juryentscheid war einstimmig, in den Auswahlprozess waren neben den vier Aufsichtsratsmitgliedern Landesrat Bernhard, Kulturamtsleiter Nußbaummüller, Franz Salzmann und Kuges-Geschäftsführer Döring auch drei Fachjuroren eingebunden: Die neue Schauspieldirektorin der Salzburger Festspiele Bettina Hering, Andreas Beck, Direktor am Theater Basel, sowie die Dramaturgin Dorothee Bauerle-Willert. Es gab insgesamt 65 Bewerbungen.

Theater muss gesellschaftlich relevant und politisch sein, es muss gleichermaßen berühren und verstören, überraschen, fordern und unterhalten, so die designierte Intendantin Stephanie Gräve, die das Vorarlberger Landestheater in der Bodenseeregion und international neu positionieren möchte: Als einen offenen und experimentierfreudigen Ort gesellschaftlicher Auseinandersetzung. In einer ersten Stellungnahme verspricht die 49-Jährige: „Wir werden mit künstlerischen Projekten ins Ländle ausschwärmen und ebenso mit Partnern in Deutschland, Liechtenstein und der Schweiz kooperieren, denn unser Bregenzer Theater soll ein internationales Theater sein, mit Künstlern aus ganz Europa und darüber hinaus; ein Theater, das lokale Themen im globalen Zusammenhang untersucht – und umgekehrt. Dazu werden wir renommierte Regisseurinnen und Regisseure sowie junge Talente einladen, und vor allem ein starkes Ensemble aufbauen, das Seele und Gesicht des Hauses sein wird.“

Stephanie Gräve hat ihre Theaterlaufbahn vor 22 Jahren als Dramaturgin am Theater Oberhausen begonnen. Dort konzipierte sie u.a. ein neues Dramatikfestival und realisierte Außenprojekte an Stätten der Industriekultur. 1999 wurde sie Chefdramaturgin und künstlerische Leiterin am Schlosstheater Moers, 2003 wechselte sie als Chefdramaturgin ans Theater Bonn und zeichnete für zahlreiche interdisziplinäre Projekte und Festivals verantwortlich. Vor fünf Jahren wurde Stephanie Gräve stellvertretende künstlerische Direktorin am Theater Basel, in der Spielsaison 2015/16 Schauspieldirektorin des Konzert Theater Bern. Dort stellte sie ihre Streitbarkeit unter Beweis, als der dortige Stiftungsrat im Jänner 2016 Gräve auf Antrag von Intendant Stephan Märki mit sofortiger Wirkung von ihren Aufgaben freistellte. Als Gründe führte er grundlegende inhaltliche und strategische Differenzen an und stellte Aussagen in den Raum, die er, nachdem Stephanie Gräve Anzeige wegen übler Nachrede und evtl. Verleumdung erstellt hatte, wieder zurücknahm. Der Konflikt mündete schließlich in einen Vergleich.

Die designierte Landestheaterintendantin gilt jedenfalls als hervorragend vernetzte und versierte Kennerin der deutschsprachigen, Schweizer und internationalen Theaterszene. Sie hat mit dem italienischen Regisseur Romeo Castellucci und dem Schweizer Regisseur und Musiker Christoph Marthaler zusammengearbeitet und als freie Dramaturgin Projekte in Sulaymaniyah (Nordirak), Bern und New York realisiert. Bei ihrer Bewerbung für Bregenz könnte auch die geographische Lage eine Rolle gespielt haben, schreibt sie doch in ihrer ersten Stellungnahme, dass diese in einer ungeheuer lebendigen und kulturaffinen Region, dazu im Vierländereck, spannende künstlerische Perspektiven eröffne.