Die Theatergruppe "dieheroldfliri.at" zeigt derzeit ihr neues Stück "Das Rote vom Ei" (Foto: Mark Mosman)
Anita Grüneis · 06. Apr 2017 · Theater

TAK Schaan - Die Geierwally als Punklady in schillernder Revue-Landschaft

Ein Mann ist als Fels in der Brandung der Lebensstürme höchst willkommen. Was aber, wenn eine Frau das Gleiche tut? „Die Geierwally“ ist eine solche Frau. Schon als Dreizehnjährige wagt sie sich an ein Geier-Nest, um es zum Viehschutz zu räumen. Von ihrer Aktion kehrt sie, verletzt durch die Attacken des Muttertieres, mit einem Küken ins Tal zurück und erhält dafür den Namen „Geierwally“. Seitdem wird sie für ihren Mut zwar geachtet, aber der Vater will ihr die Flausen einer starken Frau austreiben. Der reiche und despotische Bauer hat keinen Sinn für eine Tochter, die den Mann, den er ihr ausgesucht hat, nicht heiraten will und sich auch sonst dem Willen ihres Herren widersetzt. So kommt es zum Desaster.

Ein sterbender Schwan in glitzernder Bergwelt


Im TAK scheint die Welt hoch oben auf dem Berg vorerst in Ordnung. Die Landschaft zwischen Alpenglühen, Alpenrosen und grauem Fels beschreibt ein glitzernder Lametta-Vorhang als Bühnenhintergrund. In einer Ecke ein kleiner Wohnwagen, in dem drei Menschen hausen. Keine Touristen, Fremdenführer, die „Klötze von Rofen“ (Gregor Trakis, Thomas Prazak und Helene Blechinger), die das Asylrecht kennen. Da erscheint eine Mädchen-Frau mit einem weiten, schwarzen Ballett-Tüllröckchen, in dem sie aussieht wie ein sterbender Schwan: Die Geierwally im Gothic-Look. Die drei vom Wohnwagen gewähren ihr Unterschlupf, einem Flüchtling, der dem Vater die Scheune angezündet hat. Kaum ist Wally eingezogen, fädelt sich der alte bucklige Knecht (Butz Ulrich Buse) aus dem Lametta und kündigt den tobenden Vater an. Da ist er auch schon, der Höchstbauer Stromminger (Klaus Müller). Er stapft durch die schillernden Fäden, ein Zampano in einem roten Zirkus-Dress, ein Raubtier-Dompteur mit einem langen Stock. Mit ihm kommt der ungeliebte Heiratskandidat Vinzenz (Sebastian Baumgart), ein langgewachsener Gigolo in engen Hosen. Und dann erscheint auch noch sein Rivale, der Bärenfänger Joseph (Patrick Nellessen), den die Wally heimlich liebt. Er trägt Lederhose, Dreitagebart und einen langen Mantel mit Fellbesatz. So nimmt die Geschichte der Geierwally ihren Lauf, erklärende Zwischentexte werden von den Akteuren jeweils am Bühnenrand gesprochen. 

Wally im Wunderland der Berge


Das Publikum erlebt mit Kerstin König eine Wally im Wunderland der Bergwelt, die die Umwelt hochsensibel wahrnimmt, sich der Natur hingibt und zugleich, geschliffen und scharf wie ein Diamant, an ihrem eigenen Willen und ihrer Freiheit festhält. Nach dem Tod ihres Vaters ist sie aber auch eine zunehmend Zweifelnde, die sich den erzkatholischen Gepflogenheiten heftig widersetzt, die in ihrer Unerbittlichkeit aber immer mehr dem inzwischen verstorbenen Vater gleicht, bis sie ihre eigene Kälte erkennt und innerlich einhält. Kerstin König war mit ihrer Geierwally eine durchaus heutige Frau, die sich mutig gegen alle Männerklischees stellt, an ihrer eigenen Wahrnehmung festhält und dafür die Zeche zahlen muss. Anders als im Original gibt es in der Inszenierung von Gregor Turecek kein Happy End.

Ein bisschen Schlager muss sein?


Dafür setzt der Regisseur auf Gesangseinlagen, die das Geschehen bisweilen zur Schlagerrevue werden lassen. Da singen die drei Klötze von „einer Frau, sie um den Verstand bringt“. Später greift der Bären-Joseph zum Mikrofon und schnulzt über den Tod seiner Mutter: „Langsam wird es klar, dass nichts mehr ist, wie es war.“ Der schlaksige Gigolo Vinzenz schmachtet „Ich will dich heute Nacht“ und als er den Joseph niedergeknallt hat, trällert er tatsächlich „Atemlos durch die Nacht“. Diese Schlagerseligkeit steht konträr zu den Figuren und nimmt ihnen und dem Stück einiges an Glaubwürdigkeit. Heimatschnulzen gehen anders.

 

Die Geierwally
Eine Geschichte aus den Tiroler Alpen von Wilhelmine von Hillern
Theater Augsburg
Weitere Aufführung: Do, 6.4., 20.09 Uhr
TAK Theater Liechtenstein
www.tak.li