Fouad Boussouf mit einer österreichischen Erstaufführung des Stückes „Fêu“ zu Gast beim „Bregenzer Frühling“ (Foto: Antoine Friboulet)
Anita Grüneis · 27. Okt 2016 · Theater

Shakespeares „Sturm“ im TAK: Der Stoff aus dem auch die Sommernachts-Träume gemacht sind

Dieser „Sturm“, der aus dem Wiener Burgtheater im Schaaner TAK gastierte, glich einem Sommernachtstraum. So fein war sein Gespinst, so leichtfüßig seine Interpretation, so zauberhaft seine Inszenierung. Regisseurin Barbara Frey hatte mit ihrem Dramaturgen Joachim Lux Shakespeares Werk gerafft, entstaubt, aus heutiger Sicht betrachtet und mit viel Humor und grandiosen Schauspielern auf die Bühne gebracht. Kein Wunder, lauschte das Publikum im ausverkauften TAK nahezu zwei Stunden wie gebannt und dankte mit donnerndem Applaus und standing ovations.

Ein Ort im Nirgendwo, ein langer Tisch, auf ihm einige Bücher, Papierblätter, um ihn herum viele Stühle, jeder sieht anders aus. Der Raum wird von hohen dunklen Wänden begrenzt, sie wirken wie aus geschwärztem Stahl (Bühne: Bettina Meyer). Ein älterer Mann tritt auf in schwarzer Hose und schwarzem Kapuzen T-Shirt, schaut umher, überlegt, zögert, geht ein paar Schritte auf und ab, zieht sich dann den langen verblichenen Brokatmantel an, der über einem Stuhl hängt, schlendert weiter schweigend auf der Bühne herum, schaut ins Publikum und setzt sich.

Die Geschichte vom Sturm

Er nimmt ein Buch zur Hand, blättert, rezitiert ein Shakespeare-Sonett. Dann erzählt er die Geschichte von Prospero, dem einstigen König von Mailand, der sich mehr mit Magie als mit dem Regieren beschäftigt, was sein Bruder Antonio nutzte, um ihm den Thron abspenstig zu machen. Der Magier und seine Tochter Miranda retten sich auf eine Insel und leben dort zwölf Jahren lang mit dem Ureinwohner Caliban, den sie versklaven, und dem Luftgeist Ariel, der ebenfalls dienen muss, weil er seinem Herrn etwas schuldig ist. Als ein Schiff vorbeizieht mit dem Herzog von Mailand, dem König von Neapel und dessen Sohn Ferdinand, lassen Ariel und Prospero das Schiff stranden und spielen mit den Schiffbrüchigen Katz und Maus.

Geschichten mit der Geschichte

Johann Adam Oest erzählt diese Geschichte, als würde er sie eben für ein neues Buch oder ein Theaterstück entwickeln, am dem er gerade schreibt. Doch dann kommt Caliban zu ihm, bei Maria Happel ein eingeschnürtes Wesen mit Glatze, das wegen seiner Hässlichkeit auch „Mondkalb“ genannt wird. Die beiden erinnern mit ihren Zwiegesprächen an Faust und einen arglistigen Mephisto, der dunkle Pläne schmiedet. Aber kaum hat Maria Happel einen Blumenkranz auf dem Kopf verwandelt sie sich zu Miranda, der schönen Tochter von Prospero. Mit dem Gehabe eines pubertierenden Teenagers hört sie sich allabendlich die Geschichten ihres Vaters an, als seien es Einschlafrituale. „Oh wie das Herz mir blutet, wenn ich daran denke“, wirft sie schon mal gelangweilt ein, was den Vater veranlasst misstrauisch nachzufragen: „Hörst du mir auch zu?“

 Die Prinzessin und der Frosch-König

Natürlich hört sie nicht zu, all diese Erzählungen interessieren sie nicht, nur Prinz Ferdinand erweckt ihre volle Aufmerksamkeit. Eben noch der Luftgeist Ariel mit großer Brille und einer Halskrause, wird Joachim Meyerhoff mit einer blonden Perücke und einem Froschkönig-Krönchen zum leicht tuntigen Prinzen Ferdinand, der ebenfalls in der Pubertät zu sein scheint und sich dem Mädchen wie ein Schulbub nähert. Drei Schauspieler genügen der Regisseurin Barbara Frey, um das Stück mit seinem guten Dutzend Figuren plausibel und unterhaltsam darstellen zu lassen. Trotzdem wird dieser Shakespeare nicht zu einer Sparversion. Im Gegenteil. Weniger ist mehr, vor allem wenn die Wenigen so gut sind.

Der Mensch ist dem Menschen ein Mensch

Der Abend endet wie er begann. Johann Adam Oest zieht seinen Mantel wieder aus, geht noch etwas umher, als würde er über die Stoffe nachdenken, aus denen jene Träume gemacht sind, die eben auf der Bühne zu sehen waren. Er ist plötzlich ein alter Mann, dem das Vergeben wichtiger ist als die Rache. Er gibt die Zauberei auf und entlässt Ariel und Caliban aus seinen Diensten.
Dieser „Sturm“ aus Wien war ein heiteres Traumgespinst, in dem es nebenbei auch um Machthaben und Machtausüben ging, bei dem aber der Mensch dem Menschen in erster Linie ein Mensch war. Ein amüsanter kurzweiliger Abend und große Schauspielkunst!  

Nächste Vorstellung: 28. Oktober, 20.09 TAK Theater Liechtenstein.