Das Wiener Burgtheater war mit Molières „Der Menschenfeind“ unter der Regie von Martin Kušej im Bregenzer Festspielhaus zu Gast ( Foto: Matthias Horn))
Anita Grüneis · 10. Mai 2017 · Theater

Ist der Kampfpilot Held oder Mörder? – Schirachs „Terror“ im Schaaner SAL

Das badische Staatstheater Karlsruhe gastierte mit dem Stück „Terror“ von Ferdinand Schirach im Schaaner SAL. Im Publikum saßen viele Jugendliche, die das Stück aufmerksam verfolgten. Am Ende konnten auch sie selbst über den Fall urteilen. Dabei zeigte sich, dass die Stimmen in Liechtenstein dem allgemeinen Trend folgen. Ob dabei auch Sympathien oder Antipathien für die jeweiligen SchauspielerInnen mitspielen, bleibt ungewiss.

Was darf ein Mensch, was MUSS ein Mensch tun in einer Extremsituation, in der es um Menschenleben geht? Darf er sich dann über alles, auch über das Grundgesetz und militärische Befehle hinwegsetzen und selbst über Leben und Tod entscheiden? Fragen, die im Stück „Terror“ von Ferdinand Schirach in einer fiktiven Gerichtsverhandlung verhandelt werden. Der Kampfpilot Lars Koch schoss eine Lufthansa Maschine ab, die in der Hand von Terroristen war und in ein Stadion gesteuert werden sollte. In der Maschine saßen 164 Menschen, im Stadion 70.000. Wählte Lars Koch mit seinem Vorgehen das kleinere Übel statt des größeren? Oder wog er Leben gegen Leben quantitativ ab? Anders gefragt: Ist Lars Koch ein Held oder ein Mörder?

Recht ist Recht oder auch mal Unrecht?


Die Verteidigung argumentierte, Lars Koch sei ein unbescholtener Bürger, der einen tadellosen Lebenslauf vorweist und als Soldat beste Referenzen hat. Seinem Gewissen folgend, handelte er gegen den Befehl seiner Vorgesetzten, der Verteidigungsministerin, obwohl das den Tod von 164 Menschen zur Folge hatte. Der Angeklagte steht zu seiner Tat. Seiner Meinung nach waren die Passagiere eine Waffe in den Händen von Terroristen, gegen diese Waffe habe er gekämpft. Man habe ihn gelehrt, auch in den anspruchsvollsten Situationen die Nerven zu bewahren und zu entscheiden. Seine Pflicht als Soldat sei es, den Staat zu schützen und im Bedarfsfall auch Menschen zu opfern. „Sonst sind wir den Terroristen ausgeliefert“. Der Verteidiger meinte in seinem Plädoyer, Lars Koch habe nicht nach Prinzipien oder Vorschriften gehandelt, sondern rein aus seinem Gewissen heraus.

Dem Wunder keine Chance gegeben


Die Staatsanwaltschaft argumentierte hingegen, der Staat dürfe nur solche Mittel einsetzen, die mit der Verfassung im Einklang stehen. Die Handlungsweise des Piloten habe das oberste Verfassungsprinzip, die Menschenwürde, verletzt. Zudem hätten die Passagiere der Lufthansa Maschine versucht, ins Cockpit einzudringen, um die Terroristen zu überwältigen. Es sei also gut möglich gewesen, dass die Maschine gar nicht in das Stadion gestürzt wäre. Eine weitere wesentliche Frage der Anklägerin bezog sich auf die Handlungsweise der Staatssicherheit. So erging kein Befehl, das Stadion zu räumen, obwohl dafür an die 50 Minuten zur Verfügung standen. Warum dies nicht geschehen ist, blieb in diesem Verfahren unbeantwortet. 

Per Stimmkarte konnte das Publikum am Schluss der Vorstellung über Schuld und Unschuld des Piloten abstimmen. In Schaan waren 174 Besucher der Meinung, der Pilot sei unschuldig, 63 Stimmen sprachen ihn schuldig. Damit liegt Liechtenstein weit über dem Trend – bisher waren fast 60 Prozent der Besucher aller Vorstellungen der Meinung, Lars Koch sei von jeder Schuld freizusprechen.

Fast wie im richtigen Leben


Bei den vielen Grundsatzfragen der Aufführung gingen die Schauspieler beinahe unter, dabei entschied gerade ihre Darstellung mit über das Urteil. So gab Heisam Abbas einen aufrechten Lars Koch, sein Verteidiger (Klaus Cofalka-Adami) war ein leidenschaftlicher Anwalt. Ihm gegenüber stand die besonnene Staatsanwältin gespielt von Sithembile Menck mit ihren hochhackigen Schuhen. Den Vorsitz des hohen Gerichts führte der gelassen wirkende Gunnar Schmidt, die  Zeugen Lauterbach und Meiser waren bei Sebastian Reiß und Antonia Mahr aufrechte Menschen. Regisseur Martin Schulze ließ das Team trocken „ab Blatt“ im kargen Bühnenbild von Pia Maria Mackert spielen: Über drei langen dunklen Tischen leuchtete in großen roten Buchstaben „Im Namen des Volkes“. Das kann jedes Volk sein.   

Nächste Vorstellung: Mittwoch, 10. Mai um 20 Uhr im SAL, Schaan. Vorverkauf TAK