Das UNPOP-Ensemble zeigt derzeit das Stück "Fairycoin" im Theater Kosmos. (Foto: Caro Stark)
Dagmar Ullmann-Bautz · 25. Apr 2010 · Theater

Schießen und Lieben - Bis gar nichts mehr geht

Das Theater Kosmos zeigt als Uraufführung Monika Helfers tiefgreifende Geschichte "Kreuzers Kinder".

Drei erlesene Schauspieler und ein Regisseur, der mutig an Grenzen geht, haben den großartigen Text „Kreuzers Kinder“ von Monika Helfer letzen Freitag in einer beachtlichen Uraufführung im Theater Kosmos einem neugierigen und interessierten Publikum präsentiert. Wieder einmal wurde der Zuschauer entführt, entführt in eine andere Welt, in eine Welt voller Gewalt, Grauen und Lüge, die aber gleichzeitig immer wieder ihr enormes Potential an Liebe empfiehlt.
Monika Helfers Stück öffnet die Tür ins Haus der Familie Kreuzer, wo geliebt und geschossen wird, bis zum blutigen Ende. Helfers Sprache ist uneingeschränkt klar und einfach, so bestechend schön. Wie Kinder es tun, beschreibt sie alles ohne ausweichende, lavierende Umwege. Was dunkel ist, ist einfach dunkel und was Licht ist, ist hell. Das Schreckliche, das Unaussprechliche wird genauso beim Namen genannt, wie das Schöne, das Feine. Diese unverschlüsselte Draufsicht auf menschliche Abgründe ohne das Erfreuliche zu vergessen, besticht und zieht in den Bann.

Ein Meer von Blut

Drei von vier Kindern der Familie Kreuzer, inzwischen erwachsen, leben noch. Nicht besonders gut, aber sie leben, während das vierte Kind Xaver schon vor Jahren ertrunken ist. Die Eltern sind schon lange tot. Sie lagen eines Tages erschossen im Bett in einem Meer von Blut. Die Kinder haben sie gefunden. Welches ist nicht klar und was passiert ist, erst recht nicht. Emma, Josef und Rösle erzählen nun als Erwachsene die Geschichte und jeder hat seine eigene, ganz andere Version.
Was tun Erwachsene Kindern an? Wie viel Brutalität und Abgebrühtheit steckt schon in einem Kind? Diese und noch viele andere Fragen stellen sich nach diesem Abend ein. Und das ist es doch, was Theater so spannend, so interessant macht – offene Fragen, die heiß diskutiert werden.

Grenzgängerischer Kitsch

Regisseur Hubert Dragaschnig hat den Zugang zu Helfers Text gefunden, er hat den reinen Erzählstil der Autorin mit einer starken und sensiblen, aktiv szenischen Form angereichert. Er lässt den drei Protagonisten viel Raum, den die Schauspieler auch grandios zu nutzen wissen. Dragaschnig nimmt die Angebote des Textes und spielt gewandt damit, undogmatisch bis zum grenzgängerischen Kitsch, ohne je abzustürzen.

Grandiose Schauspieler und etwas zu viel Bühne

Isabel Mergl als Emma imponiert durch ihr klares Spiel. Unprätentiös zeichnet sie eine Frau, die mehrere Gesichter hat, die so stark ist, sein muss und auch so zart. Wenn sie ganz zum Schluss einen Tanzpartner sucht, offenbart sie anrührend ihr Innerstes. Das Rösle, gespielt von Sonia Diaz, entzückt von Anfang an. Mit welcher Leichtigkeit Diaz die Wandlungen zwischen Kind und erwachsener Frau meistert, fasziniert. Ihr emotionales Potenzial verleiht dem Rösle ihren unvergleichlichen Charme. Als dritter im Bunde spielt Florian Staffelmayr höchst eindrucksvoll den Bruder Josef, zwischen den beiden Schwestern. Der grauenhafte Verlust der Eltern, das anstrengende Verantwortungsgefühl für das Rösle und der absolute Wille positiv und witzig zu sein, vereint Florian Staffelmayr in einer hervorragenden psychologischen Studie.
Die drei treffen sich auf einer, nein zwei Bühnen – Außen und Innen – Garten und Haus – gestaltet von Peter Büchele, die in ihrer funktionellen Einfachheit imponiert, aber auch mit Möglichkeiten (ausklappbare Küche) ausgestattet ist, die das Spiel nicht unbedingt unterstützen. Bewährt schön die Lichtstimmungen von Markus Holdermann, wobei auch die in etwas reduzierterer Form noch eindrücklicher gewesen wären. Die Szenerie wurde brillant unterstützt von Herwig Hammerls Musik, sowohl der komponierten als auch der ausgewählten. - Auf jeden Fall ein intensiver Abend, der noch lange nachhallen wird.