Das UNPOP-Ensemble zeigt derzeit das Stück "Fairycoin" im Theater Kosmos. (Foto: Caro Stark)
Dagmar Ullmann-Bautz · 29. Jun 2012 · Theater

Opulente Entlarvung – das Provinztheater Egg zeigt Yasmina Rezas Erfolgsstück „Der Gott des Gemetzels“

Seit das Theaterstück „Der Gott des Gemetzels” 2006 uraufgeführt wurde, ist es zu einem Hit auf den Bühnen der Welt geworden. Die intelligenten, entlarvenden und brillant-bissigen Dialoge entblößen schonungslos die dünne Schicht von Zivilisation und führen den gutsituierten, guterzogenen und gebildeten Bürger vor.

Es ist mutig, sich an ein Stück zu wagen, das eben noch mit sehr großem Erfolg in einer ausgezeichneten Besetzung unter der Regie von Meister Roman Polanski in den Kinos gespielt wurde. Dieser Mut hat sich bezahlt gemacht  und wurde bei der Premiere am 28. Juni in der Parkhalle in Egg mit großem Applaus belohnt. Zum wiederholten Mal hat das Provinztheater Egg seine Besucher überrascht, brüskiert und begeistert.

Exzessive Bilderspracht

Regisseurin Beatrix Schwärzler versteht es, einen Text bis auf sein Skelett zu sezieren, um ihn dann in üppiger und exzessiver Bildersprache wiederzugeben. Ihren Schauspielern gönnt sie dabei keine Ruhe und führt sie bis hart an ihre Grenzen. Ständig kehren sie ihr Innerstes nach außen – jede Eigenschaft, jede Gefühlsregung, jede Veränderung wird mit großer Mimik und Gestik dem Publikum hingeschleudert, was bei den momentanen Temperaturen schweißtreibende Arbeit bedeutet.

Von einer Kinderrauferei zur Wohnzimmerschlacht

Nach einer Prügelei ihrer Kinder, bei der eines zwei Zähne verloren hat, treffen sich zwei Elternpaare, um den Bericht an die Versicherung zu verfassen. Doch dabei bleibt es nicht.  Nur ganz kurz wahren sie den schönen Schein, um dann gehörig alle Manieren sausen zu lassen. Schonungslos werden die Protagonisten vorgeführt, unbarmherzig die Lügen aufgedeckt. Laut und polternd kommt die Geschichte daher. Und da sind wir beim einzigen Kritikpunkt angelangt. Ein paar leise Töne hätten dem Theaterabend gutgetan, leise Töne, die einfach nur auf den Text vertrauen, ohne ihn in große Bilder zu verpacken.

Die Konflikte fokussieren sich, werden augenscheinlich, Prinzipien werden über Bord geworfen und irgendwann lassen alle die Hosen runter – Entblößung wortwörtlich. Die Gespräche werden zum hitzigen, zum leidenschaftlichen Gefecht zwischen vier völlig inkompatiblen Welten. Bei dieser Wohnzimmerschlacht kann keiner gewinnen, außer dem Publikum. „Der Gott des Gemetzels“ ist ein intelligenter, pointierter und urkomischer Hochgenuss mit einem großartigen Schauspieler-Quintett.

Business-Paar trifft auf Intellektuelle

Auf der einen Seite steht der erfolgreiche Wirtschaftsanwalt Hans, der ständig lautstark telefoniert, ein unsensibler Machtmensch, der sich eigentlich nie aus dem Konzept bringen lässt, bis seine Frau ihm sein Handy und somit sein Leben ertränkt. Roland Steurer spielt mit hoher Konzentration und Ausdruckskraft. Als perfekte Partnerin mit Sexappeal und Elan agiert Nadja Schneider als Eveline, seine Frau, die neben ihrem beruflichen Erfolg als Anlagenberaterin auch noch Kind und Haushalt schaukelt. Dem Business-Paar stehen die Intellektuellen gegenüber – was ganz klare Fronten schafft. Heidemarie – Autorin und Kunstliebhaberin, Mutter mit ausgeprägten Erziehungsansichten, kritisch und dünnhäutig zugleich – wird im Laufe des Geschehens immer bissiger. Eine großartige Leistung präsentiert Verena Dünser mit ihrem intensiven und facettenreichen Spiel. Konrad, ihr Gatte, entpuppt sich als devoter Pantoffelheld, der im Alkohol sein Heil sucht – schön, gar aufopfernd gespielt von Raimund Fink. Last but not least sei noch Roland Amann genannt, der als Monica das Geschehen genauestens beobachtet und mit Blicken und Gesten geradezu köstlich kommentiert.

Kreative Ausstattung

Die Bühne und besonders die Kostüme präsentieren sich außergewöhnlich, jedoch sehr eindeutig in ihrer Aussagekraft und mit ideenreichen und witzigen Details. Kein Tisch, keine Stühle stehen auf der Bühne – nur eine multifunktionale Kommode, auf der man sitzt, sich windet und in deren Schubladen sich alles befindet, was die Bewohner ausmacht – alles ist schubladisiert! Verantwortlich für die Ausstattung zeichnen Roland Amann, Manfred Stadelmann, Johannes Nigsch, Andreas Albrecht, Theresia Weidinger und Margit Blank.

Das Publikum feierte das Ensemble mit tollem Applaus und Standing Ovations.