Neu in den Kinos: "Die Unschuld" (Foto: Wild Bunch Germany/Plaion Pictures)
Dagmar Ullmann-Bautz · 16. Jän 2010 · Theater

Morast, Qual und die unendliche Schönheit der Sprache

Gestern Abend wurde die Welt des Thomas Bernhard im Landestheater aufgeblättert und durchforstet. „In der Höhe“, ein früher Text des österreichischen Autors, den er selber noch kurz vor seinem Tod überarbeitet und veröffentlicht hat, lässt tief in die Ideen- und Gedankenwelt dieses zerrissenen, überaus klugen Menschen blicken.

Das Landestheater präsentierte im großen Haus die Premiere der Uraufführung, während alle weiteren Vorstellungen im kleinen Haus stattfinden werden. Dies ist recht schwer nachzuvollziehen, da es gerade dieser imposante graue Raum (von Paul Lerchbaumer) ist, der auch die Macht der gesprochenen, skandierten Worte unterstützt. Gerade das Format des Raumes lässt zu, dass zwischen den kleinen, den leisen Momenten die ausgedehnten Bewegungen stattfinden.

 

Karl Barratas Bühnenumsetzung überzeugt

 

Bernhards Kunst, seine Welt in Worte zu fassen, trifft in Bregenz auf Dramaturg und Regisseur Karl Baratta, der es versteht, mit diesen Worten adäquat umzugehen. Karl Baratta, der am Landestheater vor drei Monaten  seine Bühnenumsetzung von Gert Jonkes „Abschiedsrede“ präsentierte, weiß auch mit dem Text von Thomas Bernhard zu überzeugen. Mit viel Gefühl ordnet der Regisseur Passagen zu, materialisiert den Autor selbst, den jungen Bernhard, den mittleren, den sehr alten, gebrechlichen Bernhard und stellt ihm das junge Fräulein zur Seite. Er lässt an einigen Stellen den Monolog Monolog sein, anderenorts fächert er den Text gekonnt auf, lockert ihn, umrahmt ihn, würzt ihn mit einer guten Prise Humor.

Es macht Spaß diesen schweren, durch komplizierte Gedankengänge verworrenen Text, dieses so vielschichtige Konglomerat, in einer so verständlichen Art serviert zu bekommen. Baratta zeigt einerseits den Bernhard, den wir kennen, der schimpft, sich auskotzt, sich hochmütig über seine Mitmenschen erhebt und als „Vaterlandsbeschmutzer“ zu Österreichs wichtigstem Gewissen wurde. Demgegenüber schenkt er auch dem anderen, dem tier- und musikliebenden, dem romantischen, einfach dem Menschen Bernhard, Platz und Raum. Und diese Kombination ist es auch, die den Reiz des Premierenabends ausmachte.

 

Großartiges Schauspielerteam

 

Von Arndt Rössler behutsam ins rechte Licht gesetzt, leistete das Schauspielerteam großartige, authentische Arbeit. Alexander Julian Meile, seit dieser Saison am Haus, zeigt ein ungeheures Spektrum an spielerischen Facetten und spricht mit einer Sorgfalt, die unbeschreiblichen Hörgenuss bereitet. Neben ihm überzeugt in großem Maße die junge Schauspielerin Julia Jelinek, die eine anhaltende Leichtigkeit und auch Freude in diese graue Bernhardsche Welt zaubert. Einen schon etwas leiseren, gebrechlichen Bernhard präsentiert auf bestechend feinnervige Art und Weise Mario Plaz. Eher dezent und unaufdringlich macht Wolfgang Pevestorf eine weitere Seite von Bernhard sicht- und spürbar. Der Gast aus Wien, Burgtheater-Ensemblemitglied Paul Wolff-Plottegg, begeistert mit seiner Bühnenpräsenz und seiner körperlichen Wandlungsfähigkeit. Foad Bahrami am Klavier begleitet das Bühnengeschehen einfühlsam und zart, die beeindruckende Arie der Sängerin Janet Scherngell, im Mittelteil des Stückes platziert, schafft einen kleinen Unterbruch und eine willkommene Atempause in der herausfordernden Gedankenwelt des Thomas Bernhard.

 

Alles in allem ein Abend der es wert ist, gesehen zu werden. Interessant wäre noch zu erleben, wie er sich im kleinen Haus entwickelt. Die Nähe und Intimität dort wird vielleicht den fehlenden Raum mit anderen Attributen ersetzen.