Das Wiener Burgtheater war mit Molières „Der Menschenfeind“ unter der Regie von Martin Kušej im Bregenzer Festspielhaus zu Gast ( Foto: Matthias Horn))
Walter Gasperi · 27. Nov 2016 · Theater

Lustvolle Rebellion – Das Vorarlberger Landestheater begeistert mit dem Familienstück „Pippi Langstrumpf“

Gut 70 Jahre alt ist Astrid Lindgrens Kinderbuch „Pippi Langstrumpf“, aber kein bisschen verstaubt. Jugendlich frisch und vital kommt der Klassiker am Vorarlberger Landestheater herüber, weil Milena Paulovics die Geschichte geschickt auf markante Szenen mit perfekt besetzten Figuren reduziert hat und in Bo-Phyllis Strube in der Titelrolle eine ideale Hauptdarstellerin gefunden hat.

Schon mit der ersten Szene hat diese Inszenierung gewonnen. Wie Bo-Phyllis Strube als Pippi mit einem grünen und einem gelben Socken, gelbem Kleid und ihren berühmten roten Zöpfen auf ihrer Villa Kunterbunt sitzt und „Hey, Pippi Langstrumpf“ singt, sich ihr Stoffäffchen Herr Nilsson auf die Schulter steckt, während ihr Pferd Kleiner Onkel durchs Fenster blickt und mit dem Kopf nickt, begeistert, weil man spürt, wie viel Liebe zum Detail und Einfühlungsvermögen hier drinnen steckt.

Liebe zum Detail

Hier ist jeder Farbtupfer genau auf den anderen abgestimmt (Bühne: Pascale Arndtz). Das gelb-grau gestrichene Holzhaus hebt sich bestechend vom blauen Hintergrund ab. Die Lichtregie (Arndt Rössler) sorgt dafür, dass der Tag bald in die Nacht übergeht, der blaue Himmel zum Sternenhimmel wird, sich mit Rot ein neuer Tag ankündigt oder ein Gewitter an den Schiffbruch des Vaters erinnert. Als Requisiten reichen eine Badewanne auf Rädern und eine Leiter.

Prägnante Regie

Auf die Vorstellung Pippis folgt die Begegnung mit den gut bürgerlichen Kindern Tommy (Luzian Hirzel) und Annika (Nathalie Thiede), die zunächst ziemlich schockiert sind über das freche Mädchen, das allein lebt und sich die Welt so macht, wie es ihr gefällt.
Stück für Stück exerziert Milena Paulovics in den folgenden ebenso prägnanten wie flotten Szenen Pippis Konfrontation mit der bürgerlichen Welt, ihren Sozialisations- und Ordnungsinstitutionen durch. Da foppt Pippi zwar zunächst auch zwei Diebe, die hinter ihrem Goldschatz her sind, doch dann widersetzt sie sich der Erzieherin Prysselius, die sie ins Kinderheim einweisen will, düpiert mit Einfallsreichtum zwei Polizisten, stellt bei einer Gartengesellschaft bürgerliche Anstandsregeln in Frage und führt das Schulsystem ad absurdum. Ein Loblied auf die Faulheit wird gesungen und auch eine unanständige Zeichnung auf der Tafel fehlt nicht.

Großartiges Ensemble, punktgenaue Kostüme

Den die Ordnung in Frage stellenden und zu Selbstständigkeit und Widerstand gegen Normen und Regeln animierenden Impetus der Vorlage hat Paulovics mit leichter Hand sowie Einfalls- und Variationsreichtum auf die Bühne übertragen. Fließend gehen hier Wortwitz und Slapstick ineinander über. Einige Momente werden durch Zeitlupe akzentuiert, die Episode mit den Einbrechern wird weitgehend wortlos als Pantomime inszeniert und immer wieder wird mit Musik (Arrangements: Ivo Bonev) die Stimmung angeheizt.
Dass diese kindliche Rebellion so viel Vergnügen bereitet, liegt aber auch an den Schauspielern und den Kostümen (Pascale Arndtz), die jede Figur punktgenau charakterisieren. Herausragend ist Bo-Phyllis Strube, die über 70 Minuten durchgehend auf der Bühne steht und mit viel Verve und Leidenschaft die unangepasste Titelfigur spielt. Ideal besetzt sind auch Luzian Hirzel und Nathalie Thiede als die braven Nachbarskinder, während bei Kristine Walther allein schon ihr schwarzes Kleid und ihre Brille die Steifheit von Frau Prysselius vermitteln. Für viele Lacher sorgen auch David Kopp und Lukas Kientzler als nicht gerade allzu intelligente Polizisten.

Furioses Finale

Wenn im Finale Pippis Vater (Anwar Kashlan) wieder auftaucht und sie sich entscheiden muss, ob sie wieder mit ihm in See stechen oder bei ihren neuen Freunden bleiben will, kommt als Thema auch noch die Abnabelung von den Eltern ins Spiel. Pippis anarchische Aktionen werden damit aber nicht enden, sondern weiter wird sie die Ordnung aufmischen und das Publikum ist kaum mehr zu halten, wenn das ganze Ensemble auf die Bühne kommt und zu Pippis „Hey, Pippi Langstrumpf“ tanzt. Begeistert wird beim Song mitgeklatscht und Schauspieler und Team werden mit großem Applaus gefeiert.