Tobias Grabher, die Camerata Musica Reno und Michael Köhlmeier bescherten dem Publikum ein „österliches Cineastenfest“.
Dagmar Ullmann-Bautz · 08. Mär 2009 · Theater

Liebe, Glaube, Hoffnung versus Einsamkeit und Tod

Die österreichische Uraufführung von Thomas Jonigks „Diesseits“ am Vorarlberger Landestheater

 

 

 

Wir Menschen sind so gestrickt – ab 40 bei runden Geburtstagen, oder im Angesicht einer schweren Krankheit, stellen wir uns die Sinnfrage. Wir ziehen Bilanz, wägen ab, überdenken unser Leben.

Und genau da trifft der Autor Thomas Jonigk mit seinem Stück „Diesseits“ mitten ins Herz.

Bissig scharfer Humor

Paula ist 40, hat einen Gehirntumor und vielleicht nur noch eine kleine Spanne zu leben. Ihre Lebensbilanz gleicht einer Bankrotterklärung. Nichts, eine „Nullnummer“, ist übrig geblieben von ihren hochgesteckten Vorhaben und Lebenszielen. Da gibt es doch nichts zu lachen, nicht wahr? Thomas Jonigk und Regisseur Christian Schäfer beweisen das Gegenteil! Der bissig scharfe Humor des Textes lässt das Lachen im Halse stecken bleiben und wirkt gleichzeitig befreiend in der drückenden Situation und der manchmal etwas zu vordergründigen Psychologiestunde.

In rasender Geschwindigkeit, in comicstripartigen Szenen verfolgt der Zuschauer fast atemlos Paulas Amoklauf. Im Angesicht des Todes erlebt sie die Auseinandersetzung ihres Lebens mit sich und ihren Mitmenschen und macht sich panisch auf die Suche nach Liebe und Geborgenheit. Rasant drehen sich die Figuren dieses Reigens, begleiten Paula auf ihrem Kreuzweg, begegnen ihr wie Blitzlichter: Während religiöse Anwandlungen, sexuelle Befriedigung, unüberlegte verzweifelte Handlungen belustigen, führen überraschende Arrangements zwischendurch zu kleinen berührenden Szenen.

Wiedererkennung als Erfolgsgarant

Regisseur Christian Schäfer hat das existenzielle Stück mit einem tollen Darstellerteam und viel Witz umgesetzt - die Tragik  dabei nie aus den Augen verloren.

Die Figuren sind nicht ausgestellt, sie leben, allen voran Paula und Dietmar. Ingrid Lang verleiht der Paula einen fast unumstößlichen Lebenswillen, kraftvolle Energie und gleichzeitig eine unglaubliche Zerbrechlichkeit. Dies besonders in den Momenten, wenn zwischen ihr und dem unmöglichen Dietmar (charmant komisch und ehrlich anrührend Aurel Bereuter) Schmetterlinge ihre zarten Flügel schwingen. Peter Bocek als seit Jahren toter Vater, der auftaucht, um Paula voranzutreiben, verblüfft mit unvergleichlicher Coolness – „tot sein“ erscheint nach dieser Studie „herrlich lebendig“. Als erfolgreiche, giftig überhebliche Schwester überzeugt Andrea Casabianchi, während Maria Fliri und Markus Schramm mit viel Spaß an verschiedensten Rollen große Verwandlungsfähigkeit beweisen.

Bühnenbildnerin Caroline Stark veranschaulicht Paulas Kreuzweg mittels eines überdimensionalen, liegenden und drehbaren Kreuzes, das sich multifunktional, mit Klappen und Türchen veränderbar, auch begehbar, immer wieder neu und überraschend präsentiert. Lichtdesigner Arndt Rössler komplettiert die imposante Szenographie mit emphatischen Lichtstimmungen.

Wiedererkennung scheint im Theater ein Erfolgsgarant zu sein. Das Publikum war begeistert und zeigte das in anhaltendem Applaus.

Weiter Termine: www.landestheater.org