Fouad Boussouf mit einer österreichischen Erstaufführung des Stückes „Fêu“ zu Gast beim „Bregenzer Frühling“ (Foto: Antoine Friboulet)
Anita Grüneis · 06. Dez 2017 · Theater

„Geächtet“ von Ayad Akhtar im Schaaner SAL – eine surreale Show

Das Gastspiel des Dortmunder Schauspielhaus mit dem „Stück der Stunde“ irritierte, faszinierte und – ja, es langweilte manchmal auch. Regisseur Kay Voges hatte das preisgekrönten Stück zu einer Mischung aus Kindergeburtstag und surrealer Horror-Show werden lassen.  

Das Werk des amerikanischen Autors (mit pakistanischen Wurzeln) Ayad Akhtar erhielt vor kurzem in Österreich den Nestroy Theaterpreis als bestes Stück des Jahres, letztes Jahr war es für „Theater Heute“ das „ausländische Stück des Jahres“. Es behandelt das aktuelle Thema „Islam und westliche Gesellschaft“. Im Mittelpunkt steht dabei der pakistanisch-amerikanische Rechtsanwalt Amir Kapoor, der dem muslimischen Glauben abgeschworen hat und sich seinen amerikanischen Traum verwirklichte. Er ist äußerst erfolgreich, hat eine liberale amerikanische Ehefrau, die malt und für orientalische Kunst schwärmt. Die beiden haben zur Dinner Party eingeladen und erwarten den jüdischen Kurator Isaac und seine afroamerikanische Ehefrau Jory, eine Anwältin, die in der gleichen Kanzlei wie Amir arbeitet. Die Party beginnt mit den üblichen Bussi-Bussis und endet im Fiasko. Ein banales Stück mit starken Sätzen, die sich in den Köpfen des Publikums festhaken.

Die Weißen und die Nicht-Wissenden

Regisseur Kay Voges platzierte es in eine eher surreale Welt. Seine Figuren sahen alle gleich aus – sie hatten weiße Gesichter, rote Augen und weiße Haare. Albinos, also Menschen mit einem Gen-Defekt, die eine stark verminderte Sehfähigkeit haben? Oder doch Zombies? Auf alle Fälle Wesen, die nicht miteinander sprachen, sondern aneinander vorbei, deren Begrüßungsbussis ins Publikum zielten, die sich nicht berührten, deren Worte aber an ihren Oberflächen scheuerten. Sie lebten auf einer kahlen Bühne, auf deren Hintergrund wechselnde nationale Symbole projiziert wurden. Beim Essen hüpften sie wie Kaninchen um einen imaginären Tisch, später spielten sie die „Reise nach Jerusalem“, bekannten ihre Sünden und ließen im wahrsten Sinne ihre Hosen herunter. 

Wer ehrlich ist, ruiniert sich

Amir (Carlos Lobo) hatte sie schon am Anfang des Stückes ausgezogen und saß mit Anzugjacke und in Unterhosen auf seinem Barhocker, für die Gäste zog er die Hose wieder an, um sich dann am Schluss nackt bis auf die Unterhose über der Bühne thronend zu präsentieren. Er hatte sich im Laufe des Abends in jeder Beziehung entblößt. Seine Integration wurde zum Scheiterhaufen, seine Ehe ein Trümmerfeld. Dafür hatte er selbst zurück zu seinen Wurzeln gefunden – dem Islam, in dem die Frau gezüchtigt wird und „Engel nicht in Häuser gehen, in denen Bilder oder Hunde sind.“ Zum Entsetzen seiner Gäste gestand er seine Freude, als die Twin Towers im September 2011 einstürzten. 

Einmal Islamist, immer Islamist

Regisseur Kay Voges legte den Schwerpunkt seiner Inszenierung auf die Läuterung von Amir und schien zu sagen: einmal Islamist, immer Islamist. Dieser Religion kann niemand abschwören, ihr entrinnt niemand. Der Neffe Abe (Björn Gabriel) meinte denn auch zum Schluss zu seinem Onkel: „Vielleicht hätten wir niemals weggehen sollen – du hast kein besseres Leben. Du bist gefeuert, musst aus dem Haus. Du willst von diesem Leben, was du niemals bekommen wirst.“ Damit beschrieb er exakt das Gefühl vieler Migranten, die sich, vom westlichen Lebensstil enttäuscht, wieder in eine festgefügte „alte“ Lebensordnung mit klaren Werten und Führern sehnen. Genau das ist der Zündstoff des Stückes, das in vieler Hinsicht den Rechtsruck in der westlichen Gesellschaft erklärt. Doch ist es wirklich so einfach, so banal?

Banal oder klug?

Das Schauspieler-Ensemble mit der hervorragenden Merle Wasmuth als Jory, der ADHS-verdächtigen Bettina Lieder als Emily, dem eher zurückhaltend agierenden Frank Genser als Isaac und vor allem dem ungemein präsenten Carlos Lobo hätte das verfremdende Setting gar nicht gebraucht. Diese Schauspieler könnten das Stück auch vom Blatt spielen und alle das Schaudern lehren. So lehrte Regisseur Kay Voges mit dem Bühnenbildner Michael Sieberock-Serafimowitsch und der Kostümbildnerin Mona Ulrich vor allem, dass alle Verfremdung dieses Stück nicht zerstören kann, dass es dadurch eher seine Banalität zeigt.

Nächste Vorstellung: 6. Dezember, 20 Uhr im SAL