Das Wiener Burgtheater war mit Molières „Der Menschenfeind“ unter der Regie von Martin Kušej im Bregenzer Festspielhaus zu Gast. (Foto: Matthias Horn)
Anita Grüneis · 19. Apr 2013 · Theater

Friedrich Schiller trifft Rammstein

Am Anfang war die Liebe, ungelenk, schüchtern und stürmisch. Dann kam die Kabale dazu, oder auch Intrige, schmierig, machtgeil und fies. Die Liebe wurde erwachsen, aber sie starb nicht. Nur Luise und Ferdinand starben. Ihre Liebe aber – ja, was passiert mit ihr? Das lässt Regisseur Jo Fabian offen. Nur Rammstein hämmert „Mein Herz brennt“. Das Theater Mühlheim an der Ruhr brachte eine äußerst erfrischende und kurzweilige Inszenierung von Schillers „Kabale und Liebe“ ins TAK Schaan.

Heile Welt im Dirndl

Major Ferdinand (Boris Schwiebert) ist sehr jung und sehr ungelenk. Er weiß noch gar nicht wohin mit seiner gewachsenen Länge. Wenn er den Vater umarmen will, bückt und windet er sich, um in dessen Arme zu passen, wenn er Lady Milford (Annegret Thiemann) einen Besuch abstattet, dann versucht er cool herumzulümmeln und immer sind ihm die langen Beine im Weg. Nur bei Luise (Gabriella Weber), dem geliebten Bürgermädchen, fühlt er sich am rechten Ort. Doch auch bei ihr hat er so seine Schwierigkeiten. Denn Luise ist ein rechter Trotzkopf. Zum einen gehorsame Tochter des bürgerlichen Vaters, zum anderen pocht die aufkeimende körperliche Leidenschaft für den adeligen Major hinter ihren Poren. Doch als bodenständiges Mädchen im Dirndl weiß sie sehr wohl, dass die Gesellschaftsbarrieren zwischen ihr und ihrem Major nicht so einfach zu überwinden sind.

Das Böse erwacht

Das weiß auch ihr Vater, Stadtmusikant Miller (Matthias Horn). Auch wenn er wie in einem Rausch gegen die adelige Gesellschaft wettert und ihr prophezeit, was dann Robespierre und Co zehn Jahre später mit ihr vollziehen wird. Mit seiner Ehefrau (Marion Mainka) führt er eine lebhafte und durchaus lustvolle Ehe, wobei die einzige Tochter bei beiden im Mittelpunkt  steht.

So leben sie alle miteinander, sitzen nebeneinander erhöht auf einem Podest auf weißen Stühlen, hören sich zu und üben sich in friedlicher Koexistenz. Das alles ist für das Publikum amüsant zu beobachten, wird von den Schauspielern hinreißend wegwerfend herunter gespielt, da ist kein Platz für Pathos oder „big feelings“. Doch Rammstein singt bereits: “Stein um Stein mauer ich dich ein“. Sekretär Wurm (Marco Leibniz) und Präsident von Walter (Thomas Schweiberer) starten ihre Intrige und lassen Luise den berühmten Liebesbrief an Hofmarschall von Kalb schreiben, der dann Ferdinand in die Hände fällt. Damit ist die Unbekümmertheit zu Ende.

Wo ist die Liebe?

Der politische Alltag hat uns wieder. Was bisher heiter und unbeschwert war, wird nun ernst. Ferdinand schreit sich die Seele aus dem Leib wegen des vermeintlichen Verrats. Doch „von Kalbs“ gibt es in unserer Zeit viele und so setzt Regisseur Jo Fabian Schillers Figuren in einer Traumwelt ab, in der es keine gesellschaftlichen Barrieren mehr gibt, in der sich Luise und Ferdinand herzhaft küssen dürfen und alle miteinander in einer Art Gangnam Style zu Rammsteins „Mein Herz brennt“ tanzen. Kabale und Liebe? Wir haben gelernt mit beidem zu leben. Den großen Gefühlen ist eh nicht zu trauen. Dann lieber ehrlichen Rammsteins.

Nächste Vorstellung: Samstag, 20.04., 20.09 Uhr, TAK Schaan