Die Theatergruppe "dieheroldfliri.at" zeigt derzeit ihr neues Stück "Das Rote vom Ei" (Foto: Mark Mosman)
Dagmar Ullmann-Bautz · 15. Jän 2011 · Theater

Frauen, die auf sich schauen, und Herren, die nur plärren! - Hermann Essigs "Die Glückskuh" am Vorarlberger Landestheater

Das Landestheater eröffnete das neue Jahr mit einem - wie es Intendant Alexander Kubelka so treffend benannte - Bauern-Shakespeare, dem Stück „Die Glückskuh“ aus dem Jahre 1910, geschrieben von Hermann Essig, ein zu Lebzeiten recht umstrittener und kontrovers diskutierter Autor.

Das Stück spielt in einem Bauerndorf, das bevölkert ist von einer gruselig skurrilen Gesellschaft: dumme, hab- und machtgierige, neidische, durchtriebene Gestalten. Mittendrin ein Mädchen, Rebekka Palmer, die von Herzen versucht ein ehrenhaftes Leben zu führen – was in diesem Sumpf aber niemals gelingen kann. Rebekka ist  wunderschön, aber bettelarm, was ihr jegliche Möglichkeit und Hoffnung auf eine Heirat verwehrt: ohne Mitgift kein Mann. Als sie von ihrem Freund schwanger wird, sieht sie keine andere Möglichkeit als sich, durch den Diebstahl einer Kuh, eine Aussteuer zu akquirieren. Und tatsächlich beginnt im Dorf ein wahrhaft  hemmungsloser  Kampf um die Kuh und das „Rebekkle“

.Märchenhaft schönes Bühnenbild

Vor den Augen des Publikums entspinnt sich ein bunt grotesker Reigen menschlicher Schwächen, Laster, Unzulänglichkeiten und Schattenseiten. Es braucht zu Beginn etwas Zeit, sich in die brüske und widerborstige Sprache einzuhören, doch dann eröffnet sich eine ganz eigene Welt, die im drastischen Widerspruch zum märchenhaft schönen Bühnenbild des Berliner Künstlers Peter Torp steht. Diese Gegensätzlichkeit ergänzt sich auf wunderbarste Weise zu einem in sich stimmigen Ganzen, das unterstützt wird durch ein toll agierendes Ensemble, absolut treffend ausgestattet von Tanja Kramberger.

Kathrin Hauptmann begeistert

Bernadette Sonnenbichlers Regie führt die Figuren gekonnt und zumeist sicher durch diesen stürmischen Text. Mit witzigen Einfällen, einer Liebe zum Detail und genau platzierten, aktuellen Bezügen präsentiert die junge Regisseurin einen geistreichen, unterhaltsamen Theaterabend. Dass es an wenigen Stellen etwas hakte und nicht 100%ig rund lief, lag gewiss daran, dass zwei Tage vor der Premiere ein Unfall auf der Bühne geschah, bei dem sich Schauspielerin Heide Capovilla den Arm gebrochen hat. Mit Gips und Schmerztabletten kämpft sie sich als Mutter Kolb, bewaffnet mit Sprühflasche und Putztuch  tapfer durch die Aufführung. Kathrin Hauptmann begeistert als Rebekka mit einem unheimlich großen Spektrum an Emotionen. Als beste Freundin Nane erlebt das Publikum eine kleine, giftig böse, mit großzügigem Charme ausgestattete Alexandra-Maria Nutz. Die beiden Nebenbuhler Helm Schwarz  und Manuel Kolb könnten unterschiedlicher nicht sein: Maximilian Laprell ungeheuer witzig als muskelbepackter Sonnyboy und Alexander Julian Meile köstlich als mitleiderregend doofer Papabub, der es selber nicht glauben kann, als einmal seine Kräfte mit ihm durchgehen. Die Väter Kolb (spaßig und kugelrund Mario Platz),  Schwarz  (glaubhaft faschistisch Wolfgang Pevestorf) und Palmer (einäugig, aber wendig Martin Olbertz) übertrumpfen sich gegenseitig mit Hab- und Raffgier, belauern sich, entscheiden überheblich und  allmächtig über das Leben ihrer Kinder. Markus Menzel überzeugt als Schultes, als opportuner, schleimiger, endlos polemisierender Politiker, der von Andreas Jähnert als Büttel – gehorsamer, korrumpierbarer Befehlsempfänger – oder auch als Landjäger – Zigarre  rauchend auf dem Drahtesel – großartig  unterstützt wird.

Herrlich komisch: Sieben Sänger des  Bregenzer Männerchors

Die Musik von Martina Eisenreich fügt sich nahtlos ein, verschmilzt praktisch mit der Szenerie, genauso wie die sieben Manner des Bregenzer Männerchors, die mit ihrer Darbietung, ihrer skurrilen Schrulligkeit den Abend außergewöhnlich bereichern.
Bemerkenswert ist, wie es Regisseurin Sonnenbichler gelungen ist, die Fäden die der Autor 1910 schon in die Zukunft gesponnen hat, aufzunehmen und mit dem Heute zu verknüpfen. Ein gelungener Abend, der vom Publikum mit kräftigem Applaus honoriert wurde.