Neu in den Kinos: „Ich Capitano“ (Foto: X-Verleih)
Anita Grüneis · 01. Jul 2015 · Theater

Elfen, Adelige, Handwerker und Klaus Maria Brandauer

Ja, er ist ein Berserker. Ein Theaternarr. Ein Spieler. Ein Machtmensch, einer der süchtig ist nach Schauspielen. Vor rund sechs Jahren hat sich Klaus Maria Brandauer Shakespeares „Sommernachtstraum“ vorgenommen, das Wechselspiel von Menschen, Geistern und Gefühlen und daraus eine One-Man Show mit Musik von Felix Mendelssohn-Bartholdy konzipiert. Im TAK gastierte er damit mit dem Basler Kammerorchester unter der Leitung von Trevor Pinnock.

Es war der beste Schlusspunkt unter die diesjährige Theatersaison und zugleich die letzte Vorstellung in der Intendanz von Barbara Ellenberger. Der Abend hatte alles, was Theater interessant und wertvoll macht. Gute Musik, einen Schauspieler mit einer immens starken Bühnenpräsenz, Sängerinnen, die mit ihren Stimmen eigene Bilder in den Raum zaubern und eine Technik, die gerne Spaß hat. Denn der Abend mit Klaus Maria Brandauer steckte voller Überraschungen.

Hochbarocke Einstimmung


Die Einstimmung erfolgte mit Henry Purcells Semi-Oper „The Fairy Queen“, aus der Dirigent Trevor Pinnock neun Stücke zusammengestellt hatte. Es spielten und sangen das Basler Kammerorchester, die Sopranistin Lauryna Bendziunaite, die Mezzosopranistin Ursula Eittinger und die vier Basler Madrigalistinnen. Damit war der Klangteppich für das Kommende ausgelegt - als Purcell im Jahr 1692 sein Werk uraufführte, war Shakespeares „Sommernachtstraum“ bereits einhundert Jahre alt.

Wir sind aus solchem Stoff


Klaus Maria Brandauer ist 72 Jahre alt. Er liebt die Bühne, er braucht die Nähe zum Publikum. Beides bekommt er in dieser Aufführung. Zunächst mit einem sehr wirkungsvollen Gag. Die Musik spielt die Ouvertüre zu Felix Mendelssohn-Bartholdys „Sommernachtstraum“. Brandauer steht an seinem Rednerpult, die Musik wird leise, bricht ab, Brandauer sagt: "Wir sind aus solchem Stoff wie Träume sind, und unser kleines Leben ist von einem Schlaf umringt", dann dreht er sich ein paarmal um die eigene Achse, sucht seine Hosentaschen, die Musik beginnt wieder zu spielen, Brandauer setzt sich, räkelt sich noch ein paar mal, schließt die Augen und – schläft ein. Dabei gerät er auf seinem Stuhl in eine gefährliche Schieflage. Das Licht flackert und erlischt plötzlich ganz. Will da jemand den Schauspieler wecken? Doch der schlummert weiter, wieder wird das Licht matt und plötzlich sitzt das Orchester im Dunkeln. Dirigent Trevor Pinnock bricht ab, das Licht setzt wieder ein, die Musiker spielen weiter. Und Brandauer? Der schläft immer noch!

Ein Bühnenliebhaber


Aber nein! Dazu ist Brandauer viel zu professionell! Ein Star, wie er, schläft auf einer Bühne nicht ein. Das gehört zu seinem eigenen „Sommernachtstraum“. Er entkernte das Stück, stutzte es auf die drei Handlungsstränge mit den Elfen, den adeligen Liebenden und den Handwerkern und verknüpfte diese drei geschickt anhand der Musik. Dabei war er selbst der lustvolle Elfenkönig Oberon ebenso wie die eifersüchtige Titania, den Puck ließ er nuscheln, als sei er Pumuckl, und die liebenden Adeligen, die eh alle hintereinander her sind, werden entsprechen „haschtig“ von ihm gesprochen. Saftig hingegen die Handwerker, allen voran Zettel, dem Brandauers Sympathie zu gelten scheint. Mit Thisbe kann er dann zeigen, wie melodramatisch das Sich-selbst-Erstechen auf der Bühne sein kann - je mehr das Publikum lacht, desto mehr ersticht sich Brandauer. Als Thisbe.

Ein Esel!


Als im Stück der Morgen graut, geht Brandauer ganz nach vorne an die Rampe, liebäugelt mit einer Frau in der ersten Reihe, legt sich nieder, schnarcht, um dann kurz darauf kraftvoll herauszuposaunen: „Der Mensch ist ein Esel!“ Er wiederholt immer wieder: „Ein Esel“, und als das Orchester dann den berühmten Hochzeitsmarsch intoniert, wirft er den Musikern ein süffisant-ironisches „Schön, immer wieder schön!“ hin. Das Publikum fordert er auf: „Und jetzt geht heim, heim“. Doch es feiert seinen Star mit Standing Ovations und tosendem Beifall.

Beim Verlassen des Vaduzersaals leuchtet das Schloss vom Berghang und wetteifert dabei mit dem Vollmond. Wie heißt es in Shakespeares „Sturm“? „Wir sind aus solchem Stoff wie Träume sind, und unser kleines Leben ist von einem Schlaf umringt".