Neu in den Kinos: „Challengers – Rivalen“ (Foto: MGM)
Dagmar Ullmann-Bautz · 03. Okt 2009 · Theater

Eintauchen in Theaterwunderwelten

Mit seiner ersten Produktion am Vorarlberger Landestheater feierte der neue Intendant Alexander Kubelka das Theater selbst - mit einer poetisch phantasievollen Inszenierung von Luigi Pirandellos „Die Riesen vom Berge“.

Die Eröffnung der Spielsaison unter neuer Führung wurde mit großer Spannung erwartet, betont dadurch, daß Kubelka selbst sich als Regisseur präsentierte. Zudem gaben sich bislang selten gesehene Persönlichkeiten von Rang die Ehre an diesem Premierenabend. Was das Ensemble da auf die Bühne zauberte, war berückend. Die Schauspieler, die Musiker, die Kostüm- und Bühnenbildner, der Regisseur, sie alle haben erstklassige Arbeit geleistet.

Misstrauen, Angst und wilde Träume

Das Stück, 1936 geschrieben, kommt so modern, so unverstaubt, luftig und leicht voll phantastischer Ideen mit hervorragender Musik daher und erinnert streckenweise entfernt an so großartige Werke wie die „Rocky Horror Picture Show“ oder „Tommy“, was natürlich ganz besonders den „Mondscheinern“ zu verdanken ist. Diese begeistern aber nicht nur durch ihr musikalisches Können, auch als Schauspieler in den Rollen der Pechvögel wirken Stefan Laczkovics, Boris Fiala, July Skone und Andreas Hamza herrlich überzeugend. Sie bewohnen mit anderen von der Gesellschaft Ausgestoßenen die Villa des Zauberers Cotrone, wohin sich auch eine recht heruntergekommene Schauspieltruppe verirrt. Gegenseitiges Misstrauen, Angst, aber auch Neugier bestimmen anfangs die Beziehungen. Gemeinsam wird eine Nacht der Überraschungen, der wilden Träume erlebt. Es öffnen sich die Seelen und Herzen der Protagonisten, und man lässt sich davontragen als Zuschauer auf diesem Karussell der Poesie, rast schließlich auf einer emotionalen Achterbahn dahin, um dann wieder sanft auf Wellen zu reiten.

Ein großartiges Ensemble

Kubelka hat es geschafft, Schauspieler um sich zu scharen, die alle gemeinsamen mit einer dermaßen großen Spielfreude auf ein Ziel hin arbeiteten, dass es spürbar wurde im Parkett. Wenn Tamara Stein als Ilse herzzerreißend weint, um in der nächsten Sekunde schallend zu lachen, wenn sie faucht und schmeichelt, wenn sie sich wie Gollum aus der "Herr der Ringe"-Verfilmung gebärdet, dann zieht sie alle Register der Schauspielkunst und das Publikum in ihren Bann. Ihr Gegenüber, Ehemann und Gönner, der Graf, wird von Alexander Julian Meile in einer Reduziertheit dargestellt, die Staunen macht. Manuel Rubey in der Rolle des Hausherrn und Zauberers Cotrone spricht Pirandellos komplizierte Gedankengänge nicht nur, er zelebriert sie und er dirigiert gleichermaßen und hält die Fäden in der Hand. Reicht er dann das Mikrofon an Mara-Mara (Katrin Hauptmann) weiter, verführt die Schottin nicht nur mit ihrer klaren Körperlichkeit sondern auch mit ihrer ebenso klaren Stimme im Gesang. Die Sgricia von Inge Maux überzeugt mit kindlich naiver Kraft, großer Präsenz und Wahrhaftigkeit. Sie ist der Gegenentwurf des Zwerges Quaqueo, der sich den Raum auf Knien in Yogahaltung (bewunderswert Alexandra-Maria Nutz) erobert, um dann doch schmetterlingsgleich zu fliegen. Wenn Diamante (bezaubernd Julia Jelinek), Cromo (Wolfgang Pevestorf kraftvoll und herrlich komisch), Battaglia (aufreizend Gernot Piff) und Lumachi (ein clownesker Mario Plaz) gemeinsam in Spizzis (so verletzlich Michael Schiemer) Traum landen, dann wird klar, mit welch durchdringender Kraft diese Villa erfüllt ist.

Beeindruckende Bühnengestaltung

Eine besondere Wirkungskraft haben auch die Bühnenelemente der Architekten Andreas Cukrovicz und Anton Nachbaur-Sturm, die den Schauspielern Bühne, Rahmen und Raum geben. Die Kostüme von Andrea Hoelzl unterstützen die phantasievolle Regie. Die Riesen marschieren zum Schluss des Stückes ein. Die Militärmusik als Vertreter des Systems spielen gewohnt klare und disziplinierte Töne, bis auch sie vom Bann der Villa erfasst und dissonant werden. Obwohl Pirandello acht Jahre an dem Stück geschrieben hatte, konnte er es vor seinem Tod nicht mehr beenden und auch Kubelka lässt den Schluss offen und überlässt es somit jedem Einzelnen, sich seinen ganz persönlichen Schluss zu erträumen. Der Abend endete mit viel Applaus des begeisterten Publikums und mit großer Freude und Erleichterung des Ensembles.