"Rickerl – Musik is höchstens a Hobby" derzeit in den Vorarlberger Kinos (Foto: 2010 Entertainment / Giganten Film)
Dagmar Ullmann-Bautz · 03. Dez 2012 · Theater

Eindrückliche Reise hinter verschlossene Türen! „Aufschluss. Ein Stück über Menschen im Strafvollzug“ feierte in Feldkirch Premiere

Eine Dokumentationsperformance, einen Theaterabend, der reichlich Informationen liefert, verpackt in eine wunderbar stimmige Kombination aus Schauspiel, Tanz, Video und Musik, präsentierte das walktanztheater.com am Sonntag im Alten Hallenbad in Feldkirch.

„Aufschluss. Ein Stück über Menschen im Strafvollzug“ erschließt sich dem Publikum unerwartet leicht. In abwechslungsreichen Bildern werden Tatsachen, Befindlichkeiten, Emotionen, Erlebtes, Erfühltes im und um den Pool mit einem Minimum an Ausstattung gespielt und getanzt. Schon beim Betreten des Theaterraumes erlebt man zwei Welten – zuerst die strenge Kontrolle und anschließend eine sehr herzliche und warme Begrüßung. Sobald alle BesucherInnen im Raum sind, wird akustisch zugesperrt. Dann Sirenen, Hubschrauber – ein Häftling flieht und schon sind wir mittendrin in dieser fremden Welt. Brigitte Walk und ihr Team gewähren Einblick hinter die dicken Mauern des Gefängnisses.

SchauspielerInnen wahrhaftig und klar

Die Texte stammen in erster Linie aus Interviews, die Brigitte Walk und Barbara Herold in den letzten 18 Monaten geführt haben – mit Haftentlassenen, Bewährungshelfern, Wachpersonal usw. In akribischer Kleinarbeit hat Barbara Herold aus der Fülle an Informationen einen Text zusammengestellt, der unglaublich viel erzählt, stimmig ist und Einblick aus verschiedensten Perspektiven erlaubt. Maria Fliri, Brigitte Walk und Peter Bocek sprechen und spielen die Texte mit einer Klarheit und Unmittelbarkeit, die schlichtweg gefangennimmt.

Großartiger junger Tänzer

Die Choreografin Anne Thaeter hat angemessene, äußerst treffende Bewegungsabläufe  entworfen, die der hochbegabte junge Tänzer Kilian Haselbeck und Brigitte Walk ästhetisch und eindrucksvoll umsetzen. Sie kehren innere Befindlichkeiten gnadenlos nach außen, machen sie sichtbar. Für die Musik beziehungsweise Geräuschkulisse zeichnet Matthias Frommelt verantwortlich. Er hat sich eine Nacht in einer Zelle einsperren lassen, um die Geräusche – knallende Türen, Schlüsselklirren, auf- und zuschließen – aufzuzeichnen.

Seit Jahren bindet walktanztheater.com bei seinen Projekten Amateure ein – der Bewegungschor agiert und unterstützt die Szenerie, gestaltet und erzeugt beeindruckende Bilder. Sehr klare Ansichten schafft Matthias Zuggal mit seinem stringenten Lichtkonzept.

Uniformierte Individualisten

Zusammengeknotete Leintücher dienen anfänglich dem Flüchtling und werden entknotet zu Leinwänden für die von Caro Stark gedrehten Videos nachgestellter Interviews. Die Bilder, projiziert auf die zerknitterten Leintücher und oft nur Gesichtsausschnitte zeigend, hinterlassen einen tiefen Eindruck. Die grafischen Einspielungen bescheren andere Ein- und Draufsichten. Neben den Videos war Caro Stark auch für die Ausstattung zuständig – sie uniformierte alle Protagonisten mit denselben einfachen Anzügen und individualisierte sie mit unterschiedlichen bedruckten T-Shirts.

Beeindruckende Regiearbeit

Regisseurin Karin Eppler, deren Arbeit auch schon am Vorarlberger Landestheater zu sehen war, hat aus verschiedenen Elementen einen höchst stimmigen Theaterabend kreiert. Ohne Wertung, ohne Zeigefinger, ohne irgendwelche Lösungsvorschläge zu proklamieren, macht sie den Istzustand sicht- und fühlbar. Bedrückendes reichert sie mit Humorvollem an und trifft damit mitten ins Herz.

Belohnt wurden die Künstlerinnen und Künstler mit einem lang anhaltenden Applaus des beeindruckten Publikums.