Derzeit in den Vorarlberger Kinos: The Zone of Interest (Foto: Filmcoopi Zürich)
Dagmar Ullmann-Bautz · 22. Sep 2012 · Theater

Ein perfektes Paar – Faust und Mephisto am Vorarlberger Landestheater

Kein Bühnenstück hat weltweit so große Bedeutung, wird so oft zitiert wie Goethes Faust. Weit über die Grenzen der Literaturwissenschaften hinaus sind Stoff und Figuren bekannt. Dass einem einzigen Werk so viele Schlagwörter und Weisheiten entspringen, die sich darüberhinaus auch noch über die Jahrhunderte halten, spricht für die Tiefe und große Kraft des Stückes. Natur- und Geisteswissenschaften, Kunst und Politik hat Goethe in diesem seinem letzten Werk montiert und genauestens hinterfragt. Die sprachliche Schönheit beeindruckt damals wie heute.

Kein Bühnenstück wird so oft auf den Bühnen der Welt – den kleinen wie den großen – inszeniert und interpretiert. Und ungemindert ist das Interesse des Publikums. Faust und Mephisto - eine Beziehung, die die Gemüter bewegte und weiterhin bewegen wird. So auch in Bregenz. Das Landestheater zeigte am Freitag eine sehr differenzierte Premiere, getragen von einem genialen Zweigespann und unterstützt von einem  äußerst wandlungsfähigen und beeindruckenden Ensemble.

"Zwei Seelen in meiner Brust"

Helmut Rühl und Stefan Maaß sind Faust und Mephisto und dann wieder Mephisto und Faust und beleuchten damit präzise die „zwei Seelen in meiner Brust“. Stefan Maaß begeistert mit einer unbändigen Energie, einer Vielschichtigkeit in der Darstellung des Mephisto und der gleichzeitig leidenden und ungeduldigen Leidenschaft des Faust. Helmut Rühl besticht als Faust mit einer Mischung aus Arroganz und Selbstzerfleischung und sein Mephisto überzeugt mit der wissenden Geduld des Siegers.

Unwiderstehliche Klarheit

Intendant und Regisseur Alexander Kubelka sieht in der Arbeit an Faust die logische Fortsetzung seiner letztjährigen Inszenierung von Ibens „Peer Gynt“. Ganz genau hat er die einzelnen Figuren seziert, sie auf ihren Wesensgrund untersucht und präsentiert sie dann in einer zum Teil unwiderstehlichen, beinahe schmerzhaften Klarheit.  Diese Klarheit wird durch das Bühnenbild von Paul Lerchbaumer grandios unterstützt, das in seiner Einfachheit den Protagonisten eine einnehmend schöne Spielwiese bietet. Spiegelnde Wände, für die Geschichte einfach wunderbar, haben die Arbeit des Lichtgestalters Arndt Rösler zur Aufgabe werden lassen, die er großartig gemeistert hat. Der Pianist Foad Bahrami Moayed assistiert, potenziert und verschärft das Bühnengeschehen eindrucksvoll und ohne sich in den Vordergrund zu spielen.

Beeindruckende Schauspieler

Goethes Frauenbild, das er mit Gretchen zeichnet, ist gerade heute eine große Herausforderung. Alexandra Maria Nutz spielt dieses junge, gerade mal 14-jährige liebende und leidende Mädchen – hin und her geworfen zwischen äußeren Zwängen und innerem Fühlen, das am Schluss in der Aufopferung ihres eigenen Lebens den einzigen Ausweg sieht. Katrin Hauptmanns Hexe besticht durch Präsenz, Kraft und Kälte während Adelheid Bräu der Figur der Marthe eine unglaubliche Hintertrieben- und Lüsternheit verleiht. Markus Menzel als wissbegieriger aber devoter Wagner vermag genauso wie Alexander Julian Meile als selbstbewusster und doch leicht zu gewinnender Schüler zu überzeugen. Lukas Kientzler spielt Gretchens Bruder Valentin mit ganzem körperlichem Einsatz. Laura Louisa Garde, Michael Schiemer und Wolfgang Pevestorf fügen sich in das überzeugende Ensemble und verleihen der Inszenierung zusätzliche Würze.

Bis zur Pause fesselt das Stück mit großartigem Tempo und einnehmender Energie, der zweite Teil, der auch etwas an Klarheit missen lässt, vermag dann leider nicht mehr ganz an den vorhergegangenen anzuschließen.

Nach vier überhaupt nicht zu langen Stunden spendet das Publikum einen begeisterten Applaus.