Neu in den Kinos: „Ich Capitano“ (Foto: X-Verleih)
Dagmar Ullmann-Bautz · 30. Jän 2011 · Theater

Deliziöse Sünden! Ein Leckerbissen für Augen, Ohren und Seele – Die literarische und musikalische Aufarbeitung der sieben Todsünden im Theater Kosmos

Ein großartiger Konzert- ein eindrucksvoller Theaterabend - zur selben Zeit, am selben Ort, im selben Raum - das fordert heraus, strengt an, das berührt und begeistert. Das Theater Kosmos feierte in Kooperation mit Peter Madsens CIA (Collective of Improvising Artists) die Premiere der Uraufführung von „Die sieben Todsünden / Seven Sins“.

Man hat sich Zeit genommen für das Projekt und wurde dem Sprichwort „Was lange währt, wird endlich gut!“ am Ende gerecht. Vor zwei Jahren hatte das Theater Kosmos einen Auftrag vergeben, besser gesagt sieben Aufträge. Sieben Aufträge an sieben Autoren, allesamt VorarlbergerInnen, die sich jeweils einer der sieben Todsünden widmen sollten. Und das haben die Damen und Herren getan, auf ihre ganz eigene, ganz unterschiedliche Art und Weise.

Hervorragende Musiker mit Leidenschaft und Esprit

Verschiedenste Probleme - hauptsächlich finanzieller Art - bewegten das Theater Kosmos dazu, den für das Frühjahr 2010 geplanten Aufführungstermin zu verschieben. Zum Glück, möchte man sagen, denn in der Zwischenzeit erarbeitete der in Vorarlberg lebende amerikanische Jazzpianist Peter Madsen seine Komposition „Seven Deadly Sins“ - unabhängig vom Theater Kosmos. Was lag also näher, als die beiden Projekte zu verknüpfen. Peter Madsens Musik - geschrieben für ein Jazz- und ein String-Quartett - vereint Elemente des American Jazz, der World Music und Europäischer Klassik. Das CIA Seven Deadly Sins Ensemble  besteht aus  den Violinistinnen Aleksandra Lartseva und Monica Tarcsay, Doro Rosenstock an der Viola und Bianca Riesner am Cello, dem Trompeter Herbert Walser, dem Schlagzeuger und Percussionisten Alfred Vogel, Dominik Neunteufel am Bass und natürlich Peter Madsen am Piano.  Allesamt hervorragende Musiker, die ihre Instrumente nicht nur beherrschen, sondern mit größter Leidenschaft und Bühnenpräsenz visuellen neben akustischem Genuss darboten. Madsen entwickelte völlig unabhängig von den Texten seine ganz eigene Interpretation der Todsünden. Manchmal jedoch fügte sich der Ton genial ins Wort und dies  provozierte und produzierte wahrlich magische Momente. Davon hätte man sich mehr gewünscht. Wenn man es wagen darf noch eine Kleinigkeit an der insgesamt gelungenen musikalischen Darbietung zu kritisieren, dann ist es die Tatsache, dass die wunderbaren Streicher im gesamten Klangkörper bisweilen akustisch untergingen.

Emotional und spannend

Sieben Texte standen zur Verfügung, die von Regisseur Augustin Jagg mit den Schauspielerinnen Anja Pölzl und Johanna Tomek und den Schauspielern Reinhard Hauser und Anwar Kashlan einstudiert und inszeniert wurden. Die Wolllust eröffnete und schloss den Abend. Die junge Bludenzer Autorin Verena Rossbacher hatte dazu einen Prosatext, eine Geschichte, entworfen, die über den Abend verteilt von Anwar Kashlan witzig, emotional und spannend vorgetragen wurde. Zugrunde liegen männliche Fantasien und Wunschvorstellungen. Ein schöner Traum von den unendlichen Weiten des Weltalls, von Astronauten und Kosmonauten und davon, von einer Frau nach allen Regeln der Kunst – und dies stundenlang – verführt, nein genommen zu werden.
Der Bregenzer Wolfgang Mörth, bekannt als Werbefilmer und Mitherausgeber der Literaturzeitschrift "miromente", präsentiert in seinem Text eine ganz persönliche und direkte Sicht auf den Neid und seine Auswirkungen. Im Mittelpunkt steht der Schreiber, der Autor selbst, der keine Zeile zustande bringt, während er sich in der neidischen Beobachtung der anderen Autoren verheddert und zuletzt eine überraschende, höchst persönliche Niederlage erlebt. Es ist ein äußerst humorvoller Text, der von Reinhard Hauser und Anja Pölzl sehr eindrücklich und lebendig serviert wurde.

Plakatives und Dezentes

Ganz anders, nämlich von außen, beleuchtet André Pilz den Geiz. Pilz entwickelte eine dramatische Geschichte um billige Bananen und ihre Auswirkungen auf die in den Plantagen arbeitenden Menschen. Anregung und Inspiration fand der Autor wahrscheinlich im Werbeslogan „Geiz ist Geil“. Dieser Slogan steht beispiellos für die Auswüchse westlichen Konsumverhaltens und charakterisiert eine Gesellschaft, die, auf der Jagd nach dem billigsten Angebot, weder bereit ist, die zweifelhafte Entstehung und Herkunft der Ware noch deren Qualität zu hinterfragen. Das gesamte Ensemble stand in dieser Szene auf der Bühne und spielte diese leidenschaftlich (Pölzl) und mit trockenen, auf den Punkt gesetzten Pointen (Tomek).
Eine sprachlich geniale und äußerst kreativ erdachte Szene steuerte Michael Köhlmeier bei - Trägheit, symbolisiert durch ein Paar, das in seiner Beziehung erstarrt, in den ewig gleichen Phrasen, Vermutungen, Zuschreibungen und Unterstellungen stecken bleibt. Regisseur und Schauspieler (Kashwar und Pölzl) haben Trägheit und Bewegungslosigkeit mit größter Sorgfalt umgesetzt. Wenn sich ein älterer Mensch mit ständiger Besserwisserei, ständigem Pochen auf Lebenserfahrung, über den jungen Menschen stellt, dann wird eine freundschaftliche, eine positive Beziehung unmöglich. Die in Hohenems lebende Autorin Gabriele Bösch setzt Hochmut in diesem Sinne effektiv in einem klassischen Mutter–Tochter-Dialog um, der von Anja Pölzl und Johanna Tomek amüsant und gleichzeitig berührend gespielt wurde.

Literarische Qualität mit herzerfrischendem Humor

Monika Helfer befasste sich mit dem Zorn. Ihr eindrucksvolles Kurzstück präsentiert dem Publikum einen wütenden jungen Mann (hervorragend Anwar Kashlan), der in jeglicher Situation und in allen menschlichen Beziehungen gnadenlos scheitert, an sich selbst und an der Unfähigkeit mit seiner Wut umzugehen. Die letzte Todsünde, die Völlerei, wurde vom Jüngsten des Autorenteams, Maximilian Lang, in einem sehr komplexen, dichten und ungewöhnlichen Text verarbeitet. Zwei ältere Menschen (Tomek und Hauser) fliehen vor sich selbst, vor ihren Problemen, und der Auseinandersetzung mit diesen. Ihre Unzulänglichkeiten ersetzen sie durch Arbeit, viel zu viel Arbeit und zu viel Alkoholkonsum, eben durch Völlerei.
Sieben Geschichten, ungewöhnliche und verschlungene, ganz klare, überraschende aber auch bekannte, wurden von Augustin Jagg zu einem Ganzen zusammen gefügt. Zu einem Abend, der dem Publikum viel zu erzählen weiß über die als dunkel gebrandmarkten und doch so menschlichen Seiten der Seele, über uns Menschen mit all unserer Unvollkommenheit, unseren Träumen, unseren Schmerzen und Plagen, gewürzt mit einer ordentlichen Prise Humor und Ironie.

Überzeugendes Bühnen- und Lichtdesign

Stefan Pfeistlinger setzte auf einen offenen Bühnenraum, der sowohl den MusikerInnen als auch den SchauspielerInnen den gebührenden Platz bot. Vor einem höchst imposanten Bühnenprospekt, einen Höllenschlund darstellend, erheben sich vier Ebenen, die genügend Spielraum für die Akteure bieten und von Regisseur Jagg eloquent genutzt wurden. Im ebenfalls von Stefan Pfeistlinger geplanten Licht erstrahlt der Höllenschlund in überraschend divergenter Weise – mal lockt er mit warmem, entzückendem Charme, im nächsten Moment zeigt er sein grausigstes Gesicht – abstoßend und erschreckend.
Das Publikum applaudierte begeistert - den SchauspielerInnen, den MusikerInnen, den AutorInnen und dem gesamten Produktionsteam. Dies war ein gelungener Abend - ein Abend der ein weiteres Mal und auf eindrucksvolle Weise die Qualität in Vorarlberg beheimateter Künstler und Kunst aufzeigte.