Fouad Boussouf mit einer österreichischen Erstaufführung des Stückes „Fêu“ zu Gast beim „Bregenzer Frühling“ (Foto: Antoine Friboulet)
Ingrid Bertel · 06. Feb 2015 · Theater

„Hose runter – ab, die Sau! – „Die Reise nach Islamabad“ im Theater Kosmos

Von Rentnerinnen, die sich weder die Lebenslust noch die Sehnsucht nach dem Weltfrieden nehmen lassen, erzählt Klaus Chatten in seiner Komödie „Die Reise nach Islamabad“. Die Uraufführung durch das Bregenzer Theater Kosmos erweist sich als reines Theatervergnügen.

Die Zusatzzahl hat Klara Krieger nicht angekreuzt, aber der Sechser im Lotto ist auch so schön genug. „Was jetzt?“, fragt sie rein rhetorisch ihre Freundin Fränzi. „Islamabad“, weiß die, „Hose runter, ab die Sau!“
Die beiden sind nämlich Fußballfans. Das hört man ihnen an, und wenn Klara Fränzis Parfum als „Chanel null vier“ bezeichnet, dann ist das halt drum, weil ihr „Schalke null vier“ leichter von der Lippe springt.

Das Obst der Woche


Die beiden haben es sich vor der Glotze gemütlich gemacht. Ein Länderspiel steht an, Hühnchen von der nahen Imbissbude hat Fränzi mitgebracht. Zur Hymne wuchten sich die zwei nochmals aus dem Sofa hoch, Hand auf’s Herz! Den Geburtstagsanruf ihrer Tochter wehrt Klara ungehalten ab: „Du machst dich doch zum Obst der Woche mit deiner andauernden Familienaufstellung!“

Klara „scheißt sich nix mehr, man muss das so politisch unkorrekt formulieren“, schmunzelt Regisseur Augustin Jagg. Und Juliane Gruner ist eine hinreißende Klara – filigran und messerscharf, zerbrechlich und knochentrocken, gefühlszart und rabiat, eine Frau mit Narben und Kanten, nah an der Psychose, dem Lungenkrebs, der Demenz und gewillt, all diesen Mängeln einen ganzen Menschen entgegenzustellen.

Klara träumt davon „den gesuchtesten Terroristen der Welt“ dingfest zu machen, und zwar mittels Lottomillion und dressiertem Königspudel. Ihre verrückten Ideen teilt sie der treuen Freundin Fränzi mit. Die spielt Elke Maria Riedmann aschfahl, auf den Rollator gestützt und von einem Gelächter geschüttelt, das aus einem tiefen Abgrund zu kommen scheint, meist apathisch, im entscheidenden Augenblick aber hochaktiv, die Fußballer-Säge demonstrierend, „D-A-F“ skandierend (was sich als „deutsche alte Frauen“ entpuppt) und mit Blockflöte vor der Burka.

Abgerichtete Königspudel


66 auf Terroristen abgerichtete Königspudel wollen an Fallschirmen absetzen.  CIA und CNN scheinen überzeugt. Mit von der Partie ist auch Friedhelm, die Lebensliebe Klaras - was Friedhelm aber nicht begriffen zu haben scheint. Dennoch verleiht ihm Wolfgang Pevestorf eine so intensive Zartheit und Freundlichkeit, dass es beinahe schmerzt.

Autor Klaus Chatten wechselt zwischen Traum und Wirklichkeit, so wie seine angeschlagenen Heldinnen es auch machen, und Stefan Pfeistlinger hat dafür ein geradezu ideales Bühnenbild entwickelt. Dabei ist es grundsimpel, besteht im Wesentlichen aus Vorhängen, die sich zum Beduinenzelt ebenso arrangieren lassen wie zum Krankenhaus-Platz und zur preiswerten Wohnküche der Klara Krieger. Rückblende, Traumwelt, fahle Rentnerinnen-Wirklichkeit – Stefan Pfeistlinger reichen subtil gewählte Stoffmuster und die Farben des Lichts, um uns zu orientieren.

Und Herwig Hammerl legt eine zirkushafte musikalische Grundstimmung, die sich als ebenso variantenreich erweist. So viel Witz mit so wenig Aufwand! Kunst besteht im Weglassen, heißt es. Man muss allerdings wissen, was! Und Regisseur Augustin Jagg weiß es definitiv. Seine Inszenierung der „Reise nach Islamabad“ vollendet ein Stück, das vieles zugleich ist: eine satirische Auseinandersetzung mit politischen Verhältnissen, die immer bedrohlicher ins Irrationale, Dogmatische, Religiöse tendieren, aber auch eine kluge Beschäftigung mit dem Menschen, der sich nicht auf seine Mängel reduzieren lässt und seine Freude am Leben bis zur letzten Sekunde verteidigt.

Wenn Klara dann sterbend im Krankenhaus-Bett liegt, in der Linken die Zigarette, in der rechten den Piccolo, dann haben wir Tränen gelacht und die letzte Träne ist eine aus Traurigkeit. „Die Reise nach Islamabad“ wird zur Hommage ans Leben und der Theaterabend zum Geschenk!


Weitere Vorstellungen:
07./ 20./ 21./ 27./ 28. Februar und 06./ 07./ 13./ 14. März 2015 | jeweils 20 Uhr
22. Februar und 01. März 2015 | jeweils 17 Uhr 
www.theaterkosmos.at