Die Theatergruppe "dieheroldfliri.at" zeigt derzeit ihr neues Stück "Das Rote vom Ei" (Foto: Mark Mosman)
Peter Füssl · 18. Apr 2009 · Tanz

Gelungene Symbiose aus tänzerischem Witz und musikalischer Perfektion

Wer sich angesichts der angekündigten „Akademie für Alte Musik Berlin“ Damen und Herren im gewohnten Klassik-Outfit erwartete, die in großer Perfektion und mit noch größerer Ernsthaftigkeit Barockmusik interpretieren, dürfte im Rahmen der Bregenzer Meisterkonzerte bzw. des Bregenzer Frühlings eine Überraschung erlebt haben. Denn hier ging’s ganz und gar nicht akademisch steif zu, und dies nicht nur dank der grandiosen tänzerischen Einlagen von Antonio Ruz Jimémez.

Während sich das zahlreich erschienene Publikum noch miteinander unterhielt und gar nicht richtig bemerkte, dass der Abend schon begonnen hatte, wurde es von Simon Martyn-Ellis mit leiser Lautenmusik aus dem Alltag abgeholt und atmosphärisch in den Konzertabend gebeamt. Dass der gute Mann dabei nicht auf einem Stuhl saß, sondern auf dem am Boden „schlafenden“ Tänzer, wies dabei schon auf die witzige Schräglage hin, die für diesen Abend – neben der grandiosen Musikalität des Ensembles – bestimmend werden sollte.

Reichhaltiges tänzerisches Vokabular

Antonio Ruz Jiménez zog alle Register seines Könnens, um die musikalisch vom Chaos zur schöpferischen Ordnung hinstrebende Suite „Les Éléments“ des französischen Geigers und Barockkomponisten Jean-Féry Rebel tänzerisch ohne Netz und doppelten Boden umzusetzen: sein Vokabular reichte von spastisch anmutenden Verrenkungen über elegante Pirouetten bis hin zum angedeuteten Stepptanz im Wasserbad. Sogar für ein äußerst minimalistisches Barockfeuerwerk auf einer Stehleiter blieb noch Zeit. So witzig und einfallsreich die Choreographie von Juan Kruz Diaz de Garaio Esnaola auch daherkam, sie ging stets eine gelungene Symbiose mit der Musik ein, geriet nie zum Selbstzweck.

Entstaubter Vivaldi

Dabei ging es mitunter hart an die Grenzen, vor allem bei Antonio Vivaldis „Le quattro stagioni“, wo sich das Ensemble selbst in Bewegung setzte, um dem zum Handyklingelton verkommenen Barock-Gassenhauer neues Leben einzuhauchen. Die vier Jahreszeiten wurden mit viel Witz und Charme nicht nur musikalisch, sondern auch choreographisch bildhaft umgesetzt. Antonio Ruz Jiménez war dabei allgegenwärtig – wurde zum blätterwirbelnden Herbstwind und zum winterlichen Schneegestöber. Das Objekt seiner schalkhaften Begierden war die famose Sologeigerin Midori Seiler, die mit dem stoischen Gesichtsausdruck eines Buster Keaton selbst in extremer Schräglage oder beinahe auf den Kopf gestellt ihrem Instrument noch perfekte Töne zu entlocken vermochte.
Dass dieser Abend angesichts der kurzweiligen Umtriebigkeit auf der Bühne auch zum großartigen musikalischen Ereignis wurde, können sich vermutlich nur jene vorstellen, die ihn selbst miterlebt haben. Hier wurde Barockmusik von großartigen Könnern mit viel Mut und Sinn für Humor, der nie ins Banale abgeglitten ist, entstaubt und breitesten Publikumsschichten zugänglich gemacht. Hier ist der „Bregenzer Frühling“ seinem Ruf in Sachen Experimentierfreude auf höchstem Niveau absolut gerecht geworden!