"Rickerl – Musik is höchstens a Hobby" derzeit in den Vorarlberger Kinos (Foto: 2010 Entertainment / Giganten Film)
Peter Füssl · 13. Mär 2018 · Tanz

Explosiv und poetisch - grandioser Start in den "Bregenzer Frühling" mit der Kibbutz Contemporary Dance Company

Die 1948 von der legendären israelischen Tänzerin Yehudit Arnon im Kibbutz Ga'aton nahe der libanesischen Grenze gegründete und nun schon seit mehr als 20 Jahren von ihrem Meisterschüler Rami Be'er geleitete Tanzkompagnie präsentierte im ausverkauften Bregenzer Festspielhaus die österreichische Erstaufführung von "Horses In The Sky". Eine Stunde dauerte die eindringliche Performance, die vom aus der gesamten Bodenseeregion angereisten Publikum mit begeistertem Applaus bedacht wurde.

Rami Be’ers Vision eines Gesamtkunstwerkes

Der Endfünfziger Rami Be’er zählt längst zu den international gefragten Choreographen und hat rund um den Globus für renommierte Häuser gearbeitet. Er versteht sich aber nicht „nur“ als Choreograph, sondern hält alle Zügel in der Hand, wenn es um das Kreieren (s)eines Gesamtkunstwerkes geht. So schuf er etwa für das 2016 im Sydney Opera House uraufgeführte „Horses In The Sky“ nicht nur die ausgefeilte Choreographie für 18 Tänzerinnen und Tänzer, sondern zeichnet auch für Bühnenbild und Lichtdesign verantwortlich und arbeitete auch an den Kostümen und am Soundtrack maßgeblich mit.

Während er beim Bühnenbild und den Kostümen auf äußerste Reduktion und Einfachheit setzt, und die Beleuchtung ebenfalls mit ein paar Dutzend zumeist weißen Scheinwerfern auszukommen scheint, um atmosphärisch dichte Bilder zu erschaffen, bildet der aufwändige Soundtrack sozusagen das Rückgrat des völlig ohne Handlung oder eindeutige Botschaften auskommenden Stücks. Er ist nahtlos aus Bruchstücken von 19 Kompositionen zusammengeschweißt, die von so unterschiedlichen Künstlern wie den britischen Elektronikern Fuck Buttons und Faultline, dem isländische Universaltalent Björk, den norwegischen Jazzern Sidsel Endresen und Christian Wallumrød oder dem Hollywood Action-, Horror- und Science Fiction-Spezialisten John Carpenter stammen.

Kraftvoll und ausdrucksstark

Die Tänzerinnen und Tänzer der Kibbutz Contemporary Dance Company, die vor allem auch für ihre erfolgreiche Nachwuchsbetreuung bekannt ist, überzeugen gleichermaßen durch Kraft und Präzision wie durch Emotionalität und Ausdrucksstärke. Ungeheuer Explosives und zarte Poesie liegen oft ebenso dicht beieinander, wie Athletisches und Verträumtes, aber auch die Komik findet durchaus ihren Platz, etwa wenn die Compagnie zu auf dem Banjo geschrummten Charleston-Tönen slapstickartige Bewegungen vollführt. Der Text des titelgebenden Songs „Horses In The Sky“ von A Silver Mt. Zion wird während des gesamten Stückes in vielerlei Variationen zitiert und bildet eine Art roten Faden. Wie die aus der jüdischen Community Montreals stammende kanadische Postrock-Band vermeidet auch Rami Be‘er trotz aller politischen Implikationen jegliche Eindeutigkeit, Simplifizierung oder vorgefertigte Interpretationshilfen. Das Publikum wird vielmehr eingeladen, sich vom dynamischen Strudel der Akteure mitreißen zu lassen, die in berauschend schönen Bildern besonders als perfekt aufeinander abgestimmtes, durch eine große Vertrautheit geprägtes Ensemble überzeugen, aber auch mit einfallsreich choreographierten Solo- und Duo-Darbietungen begeistern. Rami Be’er setzt den Tanz sehr gekonnt als universelle Sprache ein, die den Akteuren viel Raum zur Entfaltung ihrer Individualität lässt und den Zuschauerinnen und Zuschauern Andockpunkte an ihre jeweiligen Lebens- und Erfahrungswelten, ihre Ängste, Hoffnungen, Sehnsüchte und Träume bietet. Der Begeisterung nach zu schließen, ist sein Konzept auch in Bregenz voll aufgegangen. Denn wem fiele angesichts der aktuellen Verhältnisse zu den fast schon mantraartig wiederholten Zeilen „And violence brings more violence/And liars bring more lies“ nichts ein?