Das Wiener Burgtheater war mit Molières „Der Menschenfeind“ unter der Regie von Martin Kušej im Bregenzer Festspielhaus zu Gast. (Foto: Matthias Horn)
Peter Füssl · 27. Apr 2017 · Musik

Zum Frösteln schön – isländische Musik vom Feinsten mit Ragga Gröndal am Spielboden

Im Rest der Welt denkt man hauptsächlich an Björk, Sigur Rós oder – jüngere Semester – vielleicht an Of Monsters and Men, wenn man über isländische Musik spricht. Auf der sagenumwobenen Vulkaninsel ist das aber anders, denn dort erfreut man sich einer unglaublich reichhaltigen und quicklebendigen Musikszene. Die 32-jährige Sängerin Ragnheiður Gröndal hat unter dem für Nicht-Isländer leichter auszusprechenden Namen Ragga Gröndal bislang acht Alben veröffentlicht, die sich unter den etwas mehr als 300.000 Einwohnern der Insel rund 35.000-mal verkauften. Und dass es auch kein Zufall war, dass Gröndal bislang viermal den Iceland Music Award gewonnen hat, bewies sie im Rahmen der „Nordlichter Tour“ am gut besuchten Dornbirner Spielboden.

Von Elfen, Trollen und Kindern, die nicht einschlafen können

Ist es der Wunsch nach Bodenhaftung und Erdverbundenheit, der Ragga Gröndal ohne Schuhe auftreten lässt? Jedenfalls steht die sympathische Sängerin, die auch die Rolle der Pianinstin übernimmt, mit beiden Beinen fest in jener international erfolgreichen Marktnische, die zwischen nordischer Folk-Tradition und angesagtem Indie-Pop, gelegentlich mit leichten Jazz- und Trip-Hop-Anleihen verbrämt, angesiedelt ist. In Island sei es sehr oft kalt, und sehr oft düster, was die Menschen häufig auch melancholisch, wenn nicht gar depressiv stimme, erzählte Ragga Gröndal, die immer wieder mit dem Publikum kommunizierte und die Inhalte der Songs zu vermitteln versuchte. Sie interpretierte einige der von ihr vertonten, zwischen Tag und Traum liegenden „Schlafgedichte“ junger isländischer Lyriker von ihrem letzten, vor gut zwei Jahren erschienenen Album „Svefnljóð“. Einer ihrer Songs schildert den als Erlösung empfundenen Moment, wenn ein Kind endlich einschlafen kann und man doch noch ein bisschen Zeit für sich selber hat. In anderen geht es um Jugendliche, die keinen wirklichen Plan für das Leben haben, um ein tragisches Liebespaar, das erst in einem anderen Leben zueinander finden wird, oder um die hohe Kindersterblichkeit, die in den armselig kargen Verhältnissen im alten  Island zu beklagen war. Passend zum nasskalten Wetter an diesem Abend in Dornbirn brachte Gröndal ein 200 Jahre altes Traditional über einen plötzlichen Wintereinbruch und den allerletzten Vogel, der noch singt.

Aber es geht auch witziger, wenn sie etwa einen beschwingten Lovesong auf ihren dreibeinigen Kater „Bangsi“ zum Besten gibt, der von ihrem vorletzten Album „Astrocat Lullaby“ stammt und damals ein Sommerhit in ihrer Heimat war. Besonders unterhaltsam waren auch die kleinen Ausflüge in die isländische Mythologie, etwa ein lautmalerisches Lied über Trolle, die des Nachts das Blut von Schafen trinken, aber zu Stein erstarren, wenn sie sich nicht rechtzeitig vor Sonnenaufgang wieder in ihren Höhlen verkrochen haben. Man könne überall auf Island entsprechende Felsen sehen, was natürlich jeder bestäitigen kann, der schon einmal auf dieser Trauminsel war.

Tolle Stimme mit viel Potential – effiziente Band

Ragga Gröndal verfügt über eine ausdrucksstarke und wandlungsfähige Stimme. Sie ist in jenem Register, das speziell im nordischen Bereich gerne als „elfenhaft“ bezeichnet wird, ebenso zuhause, wie in kräftigeren Lagen. Gerne setzt sie ihre Stimme auch instrumental ein, bringt mit Vokalisen zumeist warme Klangfarben ein und demonstriert ein enormes Potential, wenn sie sich etwa mit der Klarinette auf ein Tonhöhen-Duell einlässt. Mehr Mut zu solchen kleinen experimentellen Ausflügen würde dem Gesamteindruck sicher nicht schaden. Zumal auch die Band durchaus Bemerkenswertes beizutragen wusste. Allen voran – und das nicht aus Nationalstolz – ist der Bregenzer Claudio Spieler zu nennen, der wieder einmal mit seiner extrem subtilen und einfallsreichen Perkussionsarbeit zu begeistern verstand. Unglaublich, wie der ehemalige Meisterschüler Hakim Ludins mit extrem reduzierten Mitteln unglaubliche Effekte erzielt.

Kein Wunder, dass ihn die drei Isländer gerne in ihr quasi „Hausmusik-Trio“ integrieren, wenn auch dem Publikum vorenthalten wurde, dass es sich beim wendigen und durchaus auch über Explosivkräfte verfügenden Saxophonisten/Klarinettisten um Raggas älteren Bruder Haukur Gröndal handelt, der in Island auch wegen seiner Vorliebe für Balkan-Musik bekannt ist und während seiner New Yorker Jahre unter anderem mit Chris Speed und David Krakauer arbeitete. Guðmundur Pétursson, sorgte sowohl auf der E- als auch auf der akustischen Gitarre dezent für wirkungsvolle Begleitung. Er ist nicht nur einer der gefragtesten Studiomusiker Islands –  aktuell hat er gerade ein Projekt als Solist mit einem Kammerorchester präsentiert, er spielte aber auch schon bei der renommierten isländischen Jazz-Funk-Fusion Band Mezzoforte –, sondern er ist auch der Lebensgefährte von Ragga Gröndal.

Dementsprechend familiär ging es auf der Bühne auch zu, wenn man zum Beispiel scherzhaft darüber diskutierte, ob es sich bei einem Song, dessen Text ein ins Isländische übersetztes Heinrich Heine-Gedicht ist, um ein Schlaflied oder doch eher um ein Liebeslied handle. Gefallen hat es so oder so, und es wurde – wie der ganze Abend – mit Begeisterung und viel Applaus aufgenommen.  

Die nächsten Ethno-Konzerte am Spielboden:
10.5. Flamenco mit Andrés Ángel
19.5. Desert Blues mit Samba Touré
26.5. Chimango - La Rumba de Barcelona

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