Musiker:innen aus Südafrika und Kolumbien prägen den besonderen Charakter des Pforte Kammerorchesters Plus. (Foto: Aron Polcsik)
Thorsten Bayer · 05. Jän 2012 · Musik

Wilder Stilmix und rohe Energie – John Peel Club und Burning Rosettas am Spielboden

Der Abschluss der Gratis-Neujahrskonzerte am Spielboden Dornbirn hatte es in sich: Der John Peel Club sorgte für ausgelassene Stimmung in der sehr gut gefüllten Kantine. Coverversionen von klassischen Punk-Songs standen bei ihnen auf dem Programm. Dabei wurden Künstler wie die Ramones oder Iggy Pop zitiert, sehr zur Freude des Publikums. Der Anfang des Abends war hingegen den deutlich schrägeren Tönen der Burning Rosettas vorbehalten.

Hinter diesem ungewöhnlichen Bandnamen verbirgt sich ein finnisch-österreichisches Trio, das aus Sänger/Gitarrist Tuomo Nurminen, Drummer Tibi Naphedyi und Gernot Bilz (Bass und Gesang) besteht. Die Künstlernamen der drei sind bereits ein deutlicher Hinweis darauf, welche Einflüsse sie in ihrem wilden Mix verarbeiten und zusammenführen: Fast Polka, Sad Blues und Big Rock. Mit weißen Anzügen, minimalistischer Ausstattung und vor allem einem mächtigem Wumms geht die Band zu Werke. Dabei klingt sie, als hätten die frühen Element of Crime den Auftrag erhalten, den Soundtrack für einen Aki-Kaurismäki-Film zu schreiben – um die Songs anschließend mit einem krachenden Klangteppich zu unterlegen.

Elvis im Punk-Gewand

Auch Elvis Presley ist vor ihnen nicht sicher: Die leicht chaotische Uptempo-Variante von „Suspicious Minds” stellt das getragene Original locker in der Schatten und sorgt nebenbei dafür, dass sich die ersten Tänzer vor die Bühne wagen. Nicht jede Pointe in den Moderationen zündet, aber was soll´s? Im Zweifel wird der Witz unter der nächsten Lärmwand begraben. Mangelnder Einsatz ist auf jeden Fall das Letzte, was man den Musikern an diesem Abend vorwerfen kann. Nach 45 Minuten und dem Titel „Can I take my gun up to heaven?” verlassen sie die Bühne.

Sie wollen nur spielen

In der Zwischenzeit hat sich die Spielbodenkantine sehr gut gefüllt. Im bunt gemischten Publikum findet sich auch ein junger Mann mit üppigen Tattoos und einem T-Shirt, das den markigen Spruch trägt: „Wreck your life, this is hell". Das Grapefruit-Radler in seiner Hand relativiert aber gleich diese auf hart getrimmte Optik. Irgendwie symptomatisch auch für das folgende Programm: Zwar wirkt der John Peel Club, allem voran Sänger Karel, wie besessen von den Punksongs der späten siebziger Jahre, die sie mit roher Energie covern. Andererseits entsteht nie eine aggressive Stimmung, die zu (eigentlich standesgemäßen) heftigem Pogo-Tanzen ausartet. Sie wollen nur spielen.

Mit vollem Einsatz

Und sie beherrschen ihr Handwerkszeug. Das ist im Punk keine Selbstverständlichkeit. Bei den Toten Hosen geht die Legende, dass ganz am Anfang die Zuteilung der Instrumente ausgewürfelt wurde. Sid Vicious, 1979 gestorbenes Mitglied der Sex Pistols, betrachten nur die wenigsten als begnadeten Bassisten. Virtuosität ist entsprechend keine zwingende Kategorie, um Punk zu beschreiben. Einsatz hingegen schon: Karel ist vom ersten Takt voll da, spielt Luftgitarre, verzieht das Gesicht zu einer Mick-Jagger-Schnute – das komplette Programm. Dass der Bass etwas arg wummert, fällt nicht ins Gewicht. Ein beispielhafter Höhepunkt ist Iggy Pops „Danger little stranger”. Je länger die Show dauert, desto ausgeprägter wird das Posing der Gitarristen Floyd und Hubi Guitar. Lediglich Tex verharrt an seinem Hardwood-Bass in stoischer Ruhe. Damit ist er aber der Einzige.

Würdiger Abschluss

Beim Namen der Band stand ein britischer Radio-Moderator Pate, der von 1967 bis zu seinem Tod 2004 für BBC Radio 1 arbeitete. Seinen Ruf als Legende erwarb sich John Peel, indem er in seinen Sendungen ein außergewöhnlich vielfältiges Programm spielte: von Rock, Metal über Techno bis zu Folklore und afrikanischer Musik. Auf diese Weise förderte er Künstler wie The Clash, Joy Division, The Cure, PJ Harvey oder auch The White Stripes. Somit war der Auftritt einer Band dieses Namens ein würdiger Abschluss der Neujahrskonzerte am Spielboden, der sich ebenso darauf versteht, jungen Bands und ungewöhnlichen Sounds eine Chance, ein Forum zu bieten.

Hier gab´s was auf die Ohren

In puncto Lautstärke macht der John Peel Club nahtlos dort weiter, wo Burning Rosettas aufgehört haben: Diese satte Portion Krach lässt die Ohren noch ein Weilchen fiepen. Aber egal, das ist diese druckvolle Show allemal wert. Die erste, stürmisch bejubelte Zugabe stammt im Original von den Ramones: „Sheila is a punk rocker”. Der John Peel Club ist es auch.