Neu in den Kinos: „Ich Capitano“ (Foto: X-Verleih)
Silvia Thurner · 01. Mai 2010 · Musik

Wenn Inspirationsquellen zu Füßen liegen - David Helbock lieferte mit Musikerfreunden ein abwechslungsreiches Konzert auf hohem Niveau

Für das Jahr 2009 hatte sich der Pianist und Komponist David Helbock viel vorgenommen: an jedem Tag sollte eine Komposition entstehen. Alle zusammen sind nun im „Personal Realbook“ versammelt, das im Theater Kosmos in Bregenz vorgestellt wurde. Erleben konnte man dabei vor allem die niveauvolle Vielseitigkeit Helbocks sowie die kreative Auseinandersetzung mit musikalischen Denkwelten von Kollegen und Freunden.

Das Konzert war nicht zuletzt deshalb ein besonderes Ereignis im Veranstaltungskalender des Landes, weil siebzehn MusikerInnen aus Vorarlberg, die sich vornehmlich dem Jazz widmen, versammelt waren und ein vielfältiges Panorama der Szene abbildeten. Bewundernswert ist das hohe Niveau aller MusikerInnen. Während des gesamten Abends spielte David Helbock am Klavier bzw. am Keyboard und stellte damit das musikalische Zentrum seiner inspirierten Musik dar. Jede Komposition, die von unterschiedlichsten Ensemble- und Bandformationen gespielt wurde, stammt aus dem „Realbook“, Titel gebend ist das jeweilige Datum. David Helbock moderierte den Abend sympathisch und gab dabei auch Einblicke in den Schaffensprozess. Die Ausgangsidee zum „Realbook“ geht auf den verehrten brasilianischen Musiker Hermeto Pascoal zurück. Zu Bedenken gab Helbock dabei, dass es gar nicht so einfach war, wie es ihm anfangs schien, jeden Tag tatsächlich kreativ sein zu müssen. Autobiografische Bezüge finden sich im „Personal Realbook“ einige, allerdings ist diese Tatsache für meine Art der musikalischen Betrachtung eher nebensächlich.

Von der Ballade zur grafischen Notation

Einleitend spielte Simon Frick an der Violine das „Silvesterstück“ des Jahres 2008. Im Duo mit David Helbock kamen musikalische Grundzüge, wie sie sich in mehreren seiner Kompositionen wieder finden, bereits in diesem Werk zum Ausdruck. Das Spiel im Korpus des Klaviers mit den vielen klanglichen Varianten, die Einbeziehung elektronischer sowie experimenteller Sounds bestimmten wesentliche Passagen des energiegeladenen Werkes. Einen ganz anderen Grundcharakter zeigte das Stück „13.1.2009“, das im Duo mit der Saxophonistin Doris Franz gespielt wurde. Hier bestimmte über einem stringenten Bass der balladenhafte Ton die Musik. Hartnäckig auf ihren Standpunkten verharrend korrespondierten die Stimmen miteinander. Im Trio mit dem Kontrabassisten Dominik Neunteufel und dem Perkussionisten Alfred Vogel erklangen die Werkideen „28.12.2008“ und „31.8.2009“. Die Freude am Umgang mit Jazzstandards wurde dabei für das Publikum erlebbar. Im Gegensatz dazu stand die freie Improvisation nach einer grafischen Notation. Die Musiker spielten mit Klangballungen sowie darin eingeschriebenen motivischen Fragmenten.

Yin Yang

Zusammen mit Doris Franz und der Cellistin Bianca Riesner spielt David Helbock im Trio „Yin Yang“. Die Nummer „18.3.2009“, eine Ballade, zeigte im Vergleich mit den vorangegangenen Werken die enorme Vielseitigkeit des Komponisten. Die allmähliche Annäherung der Instrumentalstimmen sowie das Spiel mit charakteristischen Tonschritten und Akkorden, gepaart mit zahlreichen imitatorischen Mustern, verlieh der Musik eine Bodenhaftung, die am Schluss spannend verflüchtigt wurde.

Random|Controll

Derzeit arbeitet David Helbock intensiv mit dem Blechbläser Johannes Bär und dem Holzbläser Andi Broger im Trio „Random|Controll“. Soeben wurde eine neue CD eingespielt. Spontan reagierten die Musiker aufeinander und entwickelten im Stück „5.1.2009“ einen mitreißenden Drive. Selbstverständlich kam die klangfarbliche Vielfalt, die die Musikerkollegen mit ihrem breiten Instrumentarium dem Komponisten bieten, gut zur Wirkung. Kreativen Spielwitz entfaltete auch das „HDV Trio“. Besonders mit diesem Trio (Lucas Dietrich, Kontrabass; Marc Vogel, Schlagzeug) feierte David Helbock bereits internationale Erfolge. Die pointiert gesetzten Floskeln im Stück „8.9.2009“ boten Einblicke in die facettenreichen Spielarten des „HDV Trios“.

Der Mentor Peter Madsen

Eine kleine Laudatio hielt David Helbocks Lehrer und Mentor Peter Madsen anlässlich der Buchpräsentation. Dass er ihm viel zu verdanken hat und eine wichtige Quelle der Inspiration ist, klingt in den Werken von David Helbock an. Die gegenseitige Wertschätzung der beiden Künstler wurde in der anschließenden Darbietung des Stücks „6.9.2009“ hörbar. Tonkaskaden und wogende Klangflächen verdichteten die Musiker virtuos, beschleunigten, gut aufeinander abgestimmt, den Klangfluss und formten die musikalischen Ausgangsgedanken mitreißend aus.

Hermeto Pascoal und Theresia Natter

Zu Ehren des brasilianischen Komponisten Hermeto Pascoal gründeten Norbert Dehmke (Flöte), Bianca Riesner (Vc), Marc Vogel (Perc.), Stefan Reinthaler (E-Bass) und David Helbock das „Hermeto Project“, das an diesem Abend auch auf der Bühne stand. Das Werk „22.1.2009“ präsentierte einen von lateinamerikanischen Rhythmen inspirierten Stil mit einem griffigen Thema, das zwischen den MusikerInnen ausgetauscht wurde.
Sein Mitwirken in der „Theresia Natter Combo“ inspirierte David Helbock sogar zu Popsongs. So entstand eine unprätentiöse Musik, die durch ihre lebendige Art aus sich selbst heraus wirkte. Stefan Greußing (Drums), Herwig Hammerl (E-Bass), Uli Binetsch (Posaune), Doris Franz und David Helbock begleiteten Theresia Natter im Song „4.10.2009“. Spannend war am Ende eines langen Konzertabends der Schlagabtausch, den sich Johannes Bär und Uli Binetsch im originellen Arrangement des Volksliedes „Öpfele, bist so kugelrund“ lieferten.